Lesetipps für Erwachsene - Teil 2

 

Grégoire Hervier, "Vintage"

ISBN 978-3-257-86316-1, Diogenes Verlag, 400 Seiten, 24,- Euro

 

Ein Musikroman, spannend wie ein Roadmovie.

 

Thomas Dupré soll für einen Schottischen Gitarrensammler eine mythische und wertvolle Gibson-Gitarre finden: die verschollene „Moderne“. Seine Suche führt ihn um die halbe Welt. In den USA, dort wo der Blues und die Rockmusik ihren Anfang nahm, findet er schließlich eine heiße Spur. Und er entdeckt einen jungen, bislang unbekannten Bluesmusiker und seine abenteuerliche Geschichte…

  

Für Musikfans ein Genuss. Wer Lust hat, findet im Internet faszinierende Musikbeispiele von den namentlich erwähnten, weitgehend unbekannten Musikern aus den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts

 

 

Sonja Heiss, „Rimini“

 ISBN 978-3 462-05044-8, Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten, 20,- Euro

 

Ein Beziehungsroman wie ein Skalpell.

 

Es ist eine ganz normale Familie. Barbara und Alexander sind im Rentenalter und müssen sich neu orientieren. Ihr Sohn Hans ist ein erfolgreicher Anwalt mit eigener Familie und einem Aggressionstick, den er mit einer Therapie in den Griff bekommen will. Ihre Tochter Masha ist Schauspielerin. Sie kriegt nichts auf die Reihe und wünscht sich mit fast 40 nichts sehnlicher als ein Kind und den passenden Mann gleich dazu. Und dann gibt es da noch ein Familiengeheimnis…

  

Es sind unspektakuläre Alltagssituationen, die Sonja Heiss leichtfüßig erzählt, und in denen sich der Leser problemlos wiederfindet. Von anfänglich seichtem Wasser führt „Rimini“ gekonnt und sehr unterhaltsam in große Tiefen, wo es richtig weh tut. 

 

 

Sabrina Janesch, „Die Goldene Stadt“

ISBN 978-3-446-25655-2, Hanser-Verlag, 352 Seiten, 24,- Euro

 

Ein erstklassiger Abenteuerroman über die mühsame Suche nach El Dorado.

Nicht der US-Forscher Hiram Bingham hat Machu Picchu, die mythische Stadt der Inka im Peruanischen Bergwald entdeckt, sondern Rudolf August Berns aus Uerdingen gut 40 Jahre davor.

 

Von Uerdingen über Berlin, Callao und Lima begleitet Sabrina Janesch den Kaufmannssohn R.A. Berns Mitte des 19. Jahrhunderts auf seinem ereignisreichen Weg in die Anden und erzählt seine unglaubliche Geschichte. Berns sucht El Dorado und findet Machu Picchu. Er braucht Geldgeber, die ihm die aufwendige Erforschung der verlorenen Inkastadt ermöglichen. In Lima gründet er eine Aktiengesellschaft, er verspricht unermesslichen Reichtum: GOLD…

 

Farbig geschildert, exzellent recherchiert. Spannendes Lesevergnügen.

 

 

Mariana Leky, „Was man von hier aus sehen kann“

ISBN 978-3-8321-9839-8, Dumont Buchverlag, 320 Seiten, 20,- Euro

 

Beste Unterhaltung.

Das Porträt eines Dorfes, in dem alles wundersam zusammenhängt und –hält. Die liebevolle Geschichte von Selma und ihrer Enkelin Luise, deren Liebe zueinander und zu „ihren Männern“ immer mit ungünstigen Bedingungen zu kämpfen hat. Witziger roter Faden: träumt Selma von einem Okapi, dann wird jemand sterben! Aber keiner weiß, wer. Das ganze Dorf verändert daraufhin sein Verhalten: Geständnisse, Testamente, Fluchten und Verstecken, jeder trifft seine eigene Vorsorge…

 

Hinreißend witzig und zartfühlend klug.

 

 

Colson Whitehead, „Underground Railroad“

ISBN 978-3-446-25655-2, Hanser-Verlag, 352 Seiten, 24,- Euro

 

Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis 2017

 

Ein Roman, der Licht in eines der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte bringt. Und nach wie vor ein brisantes Thema in den USA ist. 

 

Cora ist schwarz, eine Negersklavin in Georgia. Eines Tages beschließt sie von der Baumwollpflücker Farm zu fliehen. Verfolgt von gnadenlosen Sklavenjägern beginnt eine Odyssee kreuz und quer durch die Südstaaten der USA. Gewalt und Unterdrückung begleiten Sie auf Ihrer Flucht. Hilfe bietet nur die legendäre Underground Railroad, deren Ziel es ist, geflohene Sklaven sicher in den Norden zu bringen... 

 

Nichts für zarte Nerven. Fulminant und sehr realistisch erzählter Leidensweg mit phantastischen Einlagen. 

 

 

 Robert Menasse, „Die Hauptstadt“

 

ISBN: 978-3-518-42758-3, Suhrkamp Verlag, 459 Seiten, 24,- Euro

 

„Da läuft ein Schwein!“ Und das im heutigen Brüssel!

Und dieses Schwein erregt natürlich Aufsehen und kommt auch dem ein oder anderen Protagonisten dieses Buches ziemlich in die Quere. Ein buntes Panorama an Brüsseler Lebensentwürfen wird ausgebreitet: einige sind nur auf der Durchreise, andere sind gekommen, um zu bleiben. Aber alle treibt das Thema Europa um. Was für Einblicke in den EU-Kosmos! Kann Europa so funktionieren?

Auch wenn der Roman des Wiener Schriftstellers Robert Menasse teilweise leichtfüßig und unterhaltsam daher kommt, wird einem bewusst, dass sich die Idee eines friedlichen, geeinten Europas noch lange nicht durchgesetzt hat. Sehr aktuell!

 

Klaus Cäsar Zehrer, "Das Genie"

ISBN 978-3-257-06998-3, Diogenes Verlag, 656 Seiten, 25,- Euro

 

Ein biographischer Roman über das Leben von William James Sidis. Er war mit einem geschätzten IQ von 250 einer der intelligentesten Menschen, die je gelebt haben. 

 

Boris Sidis kommt 1887 als Einwanderer aus Russland in die USA. Dank seiner hohen Intelligenz erlebt er einen rasanten beruflichen Aufstieg und wird einer der ersten Psychologen. Er entwickelt eine Erziehungsmethode, von der er glaubt, dass damit das Gehirnpotenzial ausgeschöpft werden kann. Er heiratet Sandra Mandelbaum. Sie bekommen einen Sohn, William James, an dem er seine Erziehungsmethode anwendet. William konnte mit eineinhalb Jahren schon aus der New York Times vorlesen. 

 

Klug, tragisch, tragikomisch.

 

Ada Dorian, „Betrunkene Bäume“ 

ISBN 9783961010011, Verlag Ullstein, 272 Seiten, 14,99 Euro

 

 

Ullstein präsentiert eine neue Reihe: Ullstein fünf

Junge Autoren bei Ullstein und der Roman „Betrunkene Bäume“ der 1981 geborenen Ada Dorian, bilden den Schwerpunkt in diesem neuen Format. 2016 war Ada Dorian mit einem Textauszug zum Vorlesen in Klagenfurt für den „Bachmann“-Preis eingeladen.

Wunderbar poetisch und einfühlsam erzählt sie von Menschen, die Bäumen gleich schwankend dem Leben trotzen. Von Schuld, Verrat, Liebe und Freundschaft aber auch von Heimat und Entwurzelung erzählt dieser Roman.

Erich ist über achtzig, lebt alleine. Nur will das nicht mehr so recht klappen, seine Tochter würde ihn am liebsten im Heim sehen. Aber Erich hält ihren Versuchen trotzig Stand. Er trifft auf Katharina, die, nachdem der Vater die Familie verlassen hat, von zuhause ausgerissen ist. Sie beginnt behutsam, sich um Erich zu kümmern. Dabei kommt sie seinem Lebensgeheimnis auf die Spur und findet dadurch ihren eigenen Weg ins Leben.

 

 

Ada Dorian ist am Do. 19. Oktober mit "Betrunkene Bäume" live bei uns zu Gast!

 

Jonas Lüscher, „Kraft“ 

ISBN 978-3-406-70531-1, C.H.Beck, 237 Seiten, 19,95 Euro

 

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2017 und am Do. 26. Oktober bei uns in der Lesbar! 

 

Wortgewaltig, philosophisch und dabei bitterböse und urkomisch.

 

Ein kalifornischer Millionär lobt einen Wettbewerb aus, bei dem 1 Million Dollar zu gewinnen sind. Der Tübinger Rhetorik-Professor Richard Kraft sieht darin die Chance, seine Finanzprobleme und damit sein Leben in den Griff zu bekommen und bewirbt sich. Ein Leichtes für den „Berufs-Schwaller“ Kraft. Er muss nur noch die Jury überzeugen, indem er in einem 18minütigen Vortrag begründet, weshalb alles, was ist, gut ist…

  

Silicon Valley, Start-Ups, Investment-Banker, Wachstum und Geld. Jonas Lüscher rechnet in diesem brillant sarkastischen Roman mit einer vermeintlichen Elite und ihren grenzenlosen Zukunfts-Visionen ab.

 

Kurt Palm, „Strandbad Revolution“

 ISBN 978-3-552-06337-2, Deuticke Verlag, 256 Seiten, 20,- Euro

 

Macht einfach Spass dieser morbide Ösi-Charme!

 

Sommer 1972 in der Österreichischen Provinz: 5 Jungs kurz vor der Matura. Sie wollen etwas bewegen, sich auflehnen gegen den Vietnamkrieg, Spießer, Eltern und deren Kriegsvergangenheit. Sie lieben die coole Musik der Stones, von Hendrix und Dylan, machen erste sexuelle Erfahrungen. Es riecht nach Sommer, Sonnenöl und Salamisemmeln. Eine gute Zeit, die jäh zu Ende geht…

 

 

Klasse! Eine herrliche Melange aus Komik und Tragödie. Unbedingt zu empfehlen für alle Leser von Joachim Meyerhoff und Bov Bjergs „Auerhaus“.

 

Feridun Zaimoglu, „Evangelio“

ISBN: 978-3-462-05010-3, Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, 16,- Euro

 

Unser besonderer Tipp zum Lutherjahr 2017!

Ein ungewöhnlicher Blick auf Luther aus Sicht seines Bewachers, des Landsknechts Burkhard.

4. Mai 1521 bis 1. März 1522: Martin Luther hält sich auf der Wartburg auf. Gänzlich unfreiwillig, denn er ist auf Geheiß des Kurfürsten von Sachsen in Gewahrsam genommen worden. Dort sieht er sich größten Anfechtungen ausgesetzt, vollbringt aber auch sein größtes Werk: In nur zehn Wochen übersetzt er das Neue Testament ins Deutsche.

 

Genial erzählt. Derbe, mittelalterlich anmutende Sprache. Man fühlt sich in die damalige Zeit versetzt. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2017.

 

Achim Zons, „Wer die Hunde weckt“

 ISBN 978-3-406-70408-6, C.H. Beck, 399 Seiten, 14,95 Euro

 

Glaubhafter Politthriller aus dem Zeitungsmilieu.

 

David ist Auslandskorrespondent der größten Deutschen Tageszeitung mit Wohnsitz Hongkong. Er muss die Frage klären, warum ein Deutscher Offizier einen LKW-Transport in Afghanistan bombardieren ließ, bei dem viele unschuldige Kinder getötet wurden. Dabei gerät er zwischen die undurchsichtigen Fronten von Politik, Militär und Geheimdiensten. Eine lebensgefährliche Mission. Und dann ist da noch die intrigante Chefredaktion in München…

 

 

Nervenkitzel. Ein idealer Urlaubsschmöker nicht nur für Verschwörungstheoretiker.  

 

Jilliane Hoffman, „Samariter“

ISBN 978-3 499-25399-7, rororo, 460 Seiten, 9,99 Euro

 

Spannung pur. Ein Psychothriller der Extraklasse.

 

Es ist Nacht, ein Hurrican tobt. Faith fährt mit ihrer kleinen Tochter durch eine menschenleere Gegend Floridas. In einem verlassenen Kaff hält sie kurz an. Wie aus dem nichts klopft eine verängstigte  und verletzte junge Frau an ihre Fensterscheibe und fleht um Hilfe. Faith erschrickt, sieht zwei Männer auf sie zukommen und fährt panisch davon. Eine Entscheidung, die einen Erdrutsch in Faiths geordnetem Leben auslöst. Kein Stein bleibt auf dem anderen…

 

Der Leser muss sich der Frage stellen, was er an Faiths Stelle getan hätte und schaudert über die unsagbare Entwicklung, die diese Geschichte für Faith und ihre Familie nimmt.

 

Beste Unterhaltung bis zur letzten Seite.

 

Herbert Heckmann, „Benjamin und seine Väter“

ISBN 978-3-89561-482-8, Schöffling & Co., 440 Seiten, 22,- Euro

 

Eine Wiederentdeckung! Bereits 1962 bei S. Fischer erschienen, hat der Frankfurter Schöffling Verlag nun die Geschichte von Benjamin und seinen Vätern wieder aufgelegt.

 

Benjamin wird 1919 als einziges Kind der ledigen Kanzleigehilfin Anna geboren. Der leibliche Vater hat sich aus dem Staub gemacht und Annas Vater gibt ihr unmissverständlich zu verstehen, dass in ihrem Geburtshaus kein Platz für sie und das Kind ist. Der Chef von Anna, ein schon älterer alleinstehender Anwalt, nimmt sich der beiden Gestrandeten an. Bis zu seinem Lebensende wird er für beide der Ruhepol in ihrem Leben sein. Auf seine unkomplizierte, warmherzige, aber auch bestimmte Art ist er mehr als ein väterlicher Freund für den pfiffigen Benjamin, der trotz dieses Mentors immer wieder nach seinem leiblichen Vater fragen und suchen wird…

 

 

Erzählt ist dieses große Lesevergnügen aus Benjamins Perspektive. Herrlich seine kleine, in sich geschlossene und phantasievoll ausgestattete Welt. Neben Schulhofprügeleien, Feuerwerksexperimenten, Geigenunterricht, erstem verliebt sein und intensivem Erlesen und Erleben des Don Quijote, tauchen am Rand auch immer wieder Anzeichen der historischen Umwälzungen auf.

 

Lawrence Osborne, „Denen man vergibt“

 ISBN 978-3-8031-3286-4, Wagenbach, 272 Seiten, 22,- Euro

 

Spannender Krimi über Dekadenz und den Zusammenprall zweier Welten.

 

Eine Gruppe Reicher und Schöner feiert ausgelassene Partys auf einer abgelegenen Kasbah in Marokko. Auf dem Weg dorthin überfährt der angetrunkene Brite David einen einheimischen Fossilienverkäufer. Man versucht den Vorfall zu vertuschen. Das Feiern geht ungezügelt weiter. Doch dann steht plötzlich der Vater des Toten vor dem Tor und verlangt nach David…

 

 

Dieser Roman hält unserer Gesellschaft und ihrer scheinbaren Überlegenheit über andere Kulturen gekonnt den Spiegel vor. Gnadenlos klasse.

 

Claire Fuller, „Eine englische Ehe“

 ISBN: 978-3-492-05791-2, Piper Verlag, 368 Seiten, 22,- Euro

 

So macht es Spass, über die Sprachlosigkeit in Beziehungen zu lesen!

 

Der erfolgreiche Professor Gil und Ingrid, eine seiner Studentinnen, verlieben sich. Sie wird schwanger. Sie heiraten gegen alle Widerstände, ziehen aufs Land, bekommen noch eine weitere Tochter – und Gil verbringt immer öfter seine Zeit außer Haus. Ingrid, allein gelassen und überfordert, schreibt Briefe an ihren Mann, in denen sie ihre gemeinsame Vergangenheit und das Auseinanderdriften der Ehe beschreibt. Diese Briefe wird der Empfänger aber nie erhalten, sie versteckt sie, bevor sie eines Tages verschwindet.

Inzwischen ist Gil ein alter, pflegebedürftiger Mann, der eines Tages meint, seine verschollene Frau auf der Strasse zu erkennen. Auch Flora, eine der Töchter, hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass die Mutter eines Tages wieder auftauchen wird. Gefühle, die all die Jahre verdrängt worden waren, kochen hoch…

 

 

Eine tolle und am Ende hoffnungsvolleFamiliengeschichte über die Suche nach Wahrheit!

 

Eva Menasse, „Tiere für Fortgeschrittene“

ISBN: 978-3-462-04791-2, Kiepenheuer & Witsch, 320 Seiten, 20,- Euro

 

Tiermeldungen als Anregung, über menschliche Verhaltensweisen nachzudenken – sehr reizvoll!

 

Am Anfang der acht Geschichten stehen kuriose Tiermeldungen, anhand derer die Wiener Autorin Eva Menasse menschlichen Verhaltensweisen nachgeht, die nicht der Normalität zu entsprechen scheinen.

Ein alter, sturer Mann, der nicht davon ablässt zu wissen, was ihm und seiner dementen Frau gut tut. Oder die schöne, etwas exaltierte Micol, verheiratet mit einem erfolgreichen Mann, mit dem sie sich ein paar schöne Tage in einem luxoriösen Hotel gönnt. Ein in der Hotelanlage gestrandeter Igel bringt Micols Lebensentwurf komplett ins schwanken. Ist sie der Igel, der in einer tödlichen Falle sitzt? Eine weitere Erzählung handelt von einer Gruppe ausgewählter Wissenschaftler, die unter der sengenden Sonne im Süden die Welt verbessern sollen – aber wie soll etwas im Großen gelingen, wenn es nicht einmal im Kleinen funktioniert?

  

Auch in ihrem neuen Buch schweigt die Autorin im rechten Moment und gibt dem Leser Gelegenheit, dem Hall des Erzählten nachzuspüren.

 

Jean-Luc Seigle, "Ich schreibe Ihnen im Dunkeln"

ISBN 978-3-406-69718-0, C.H.Beck, 207 Seiten, 19,95 Euro

 

Sehr bewegend und tragisch.

 

Pauline Dubuisson, 17 Jahre, ist während der deutschen Besatzung Frankreichs die Geliebte eines deutschen Militärarztes. Nach der Befreiung Frankreichs üben Mitglieder der Resistance deshalb grausame Rache an ihr.

Als sie sich Jahre später als Studentin in Paris ihrem Geliebten offenbaren möchte, weist er sie ab. Sie tötet ihn im Affekt….

 

Ein Roman nach einer wahren Begebenheit. Bereits 1960 wurde die Geschichte mit Brigitte Bardot verfilmt ("La Vérité"), allerdings ohne Pauline eine eigene Stimme zu geben.

 

Toni Morrison, "Gott, hilf dem Kind"

ISBN 9783498045319, rowohlt, 210 Seiten, 19,95 Euro

 

Eine neue wuchtige Geschichte der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison.

 

Als Lula Ann geboren wird, erschrickt ihre Mutter über die Schwärze ihrer Hautfarbe und der Kindsvater macht sich gleich aus dem Staub. Was soll aus so einem Kind werden? Kann es in einem von Rassismus geprägten Umfeld überhaupt eine Zukunft geben? Mit viel Strenge und wenig Zuneigung erzieht sie ihre Tochter. Ihr Credo: Nur nicht  auffallen!

Lula Ann geht ihren Weg, hat Erfolg, kleidet sich nur noch in alle Schattierungen von Weiß  und erregt unglaubliches Aufsehen, wo auch immer sie erscheint. Auch ihren Namen ändert sie in "Bride".

Sie verliebt sich in einen geheimnisvollen jungen Mann. Erst als dieser sie verlässt, stellt sie sich ihrer Geschichte und weiß, was wirklich zählt.

 

Aus unterschiedlichen Perspektiven erfahren wir „gelebten“ Rassismus in den USA. 

Beeindruckend und nachhallend!

 

Sebastian Barry, Gentleman auf Zeit

ISBN 978-3-95829-289-5, Steidl Verlag, 288 Seiten, 24,- Euro

 

Der Beginn gestaltet sich dramatisch. Ist der Anfang des Romans auch gleich das Ende?

 

Unser „Held“ überlebt den Torpedoangriff eines deutschen

U-Bootes auf das englische Kriegsschiff, mit dem er vor der Goldküste – damals englische Kronkolonie - unterwegs ist. Inzwischen ist einige Zeit vergangen und der Ire Charles hält sich wieder in Ghana auf, diesmal als UN-Beobachter. Die Erinnerungen an damalige Zeiten und sein Heranwachsen zum Gentleman (allerdings nur auf eine bestimmte Zeit) überwältigen ihn. Obwohl aus einfachen Verhältnissen stammend, konnte er ein Studium abschließen, die ihm überlegene Mai aus gutem Hause heiraten und schließlich Karriere als Offizier machen. Doch nach und nach bricht das Erreichte zusammen.

 

Ein Roman, der äußerst spannend und vergnüglich zu lesen ist – auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in Irland Anfang des 20. Jahrhunderts.

 

Graham Swift, "Ein Festtag"

ISBN 978-3-423-28110-2, dtv, 114 Seiten, 18,- Euro

 

„Mothering Day“ 1924 – ein Tag, der den weiteren Lebensweg des Dienstmädchens Jane in ganz neue Bahnen lenken wird.

 

Dieser fast wie eine Novelle anmutende Roman schildert einen traumhaften Morgen auf einem englischen Landsitz: es ist Frühjahr, die Sonne scheint und alles ist in ein sanftes, warmes Licht getaucht. Alle Dienstmädchen haben frei um ihre Mütter zu besuchen, nur Jane, die als Waise aufwuchs, besucht nicht ihre Familie, sondern hat ein Stell-Dich-Ein mit ihrem Geliebten Paul. Sie beide wissen, dass dies wohl ihr letztes Treffen sein wird. Paul, Sohn einer herrschaftlichen Familie, wird ein paar Stunden später Jane allein in seinem Elternhaus zurücklassen, um sich mit Emma zu treffen – Emma, mit der eine standesgemäße Ehe arrangiert wurde. Doch es kommt zu einer Tragödie. Inzwischen ist Jane hochbetagt und erinnert sich an ihre Zeit in den Waisenhäusern, an die Zeit als Dienstmädchen und an den Tag, als sie beschloss, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Als berühmte und gefeierte Schriftstellerin muss sie immer wieder Auskunft geben über ihren Werdegang, aber die Stunden mit Paul bleiben ihr Geheimnis.

 

Ein wunderbares, atmosphärisches Büchlein!

 

Maja Lunde, "Die Geschichte der Bienen"

ISBN 978-3-442-75684-1, btb-Verlag, 512 Seiten, 20,- Euro

 

England 1852

William, Biologe und Geschäftsmann, kann über eine lange Zeit sein Bett nicht verlassen und steht vor dem Ruin. Dann kommt ihm die Idee, einen neuartigen Bienenstock zu bauen….

 

Ohio 2007

George ist professioneller Imker. Sein Hof, den er an seinen Sohn weitergeben möchte, soll größer werden. Aber eines Tages verschwinden seine Bienen…

 

China 2098

Die Arbeiterin Tao bestäubt – wie Millionen anderer Menschen – von Hand die Bäume. Bienen gibt es nicht mehr. Eines Tages fällt ihr Sohn bei einem Ausflug ins Koma und wird an einen unbekannten Ort gebracht. Tao macht sich auf die Suche nach ihm….

 

Eine Geschichte, die nachdenklich macht. Absolut lesenswert und spannend!

 

Mathias Énard, "Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten

ISBN 978-3-833-30871-0, Berlin Verlag, 172 Seiten, 8,99 Euro

 

Erfunden oder nicht: eine wunderschöne Geschichte aus Tausendundeiner Nacht.

 

Der berühmte Maler und Baumeister Michelangelo soll Anfang des 16. Jahrhunderts in Istanbul auf Wunsch des osmanischen Sultans eine Brücke über das Goldene Horn bauen. Dort taucht er ein in die fremde Welt, zunehmend begeistert von Kultur, Religion und den Menschen...

 

Hochaktuell. Ein großartiger Roman, der eine Brücke schlägt zwischen zwei Welten, die sich so ähnlich und doch so fremd sind.

 

Max Annas, "Illegal"

ISBN 978-3-498-00101-8, rowohlt-Verlag, 19,95 Euro

 

Spannender Verfolgungskrimi!

 

Kodjo lebt illegal in Berlin. Seit Jahren schon geht es bei ihm um's Überleben in der Großstadt. Ja nicht auffallen. Eines Tages beobachtet der Schwarzafrikaner einen Mord, wird als Verdächtiger gejagt und versucht, auf eigene Faust, den wahren Täter zu finden, um seine Unschuld zu beweisen...

 

Ein packender Krimi, ein politischer Gesellschaftsroman

 

Arne Dahl, "Sieben minus eins"

ISBN: 978-3-492-05770-7, Piper-Verlag, 416 Seiten, 16,99 Euro

 

Der neueste Thriller des Schwedischen Bestsellerautors

 

Ein vermisstes 15jähriges Mädchen. Ein dunkles Kellerverlies, Folterinstrumente, Blutspuren. Kommissar Sam Berger und seine Kollegin Molly Blom sind sicher, dass ein Serienmörder im Großraum Stockholm sein Unwesen treibt. Das Ermittlerduo findet weitere ungeklärte Vermisstenfälle, eine erste Spur führt in ein altes Bootshaus und tief zurück in ihre eigene Kindheit...

 

 Packender Krimi voller Überraschungen, ideal für lange dunkle Winterabende.

 

Pierre Jarawan, "Am Ende bleiben die Zedern"

ISBN: 978-3-8270-1302-6, Piper-Verlag, 448 Seiten, 22,- Euro

 

Beeindruckender Roman zum Thema Flucht und Integration!

 

Samir verehrt seinen Vater und seine Geschichten aus 1001 Nacht, die dieser ihm abends vor dem Einschlafen erzählt. Vor einigen Jahren ist die Familie aus dem Libanon nach Deutschland geflohen und hat sich eine Existenz aufgebaut. Eine scheinbar perfekte Familie, eine gelungene Integration. Aber eines Tages verschwindet Samirs Vater spurlos. Der Junge versteht die Welt nicht mehr und macht sich auf eine lange Suche, die ihn zurück zu seinen Wurzeln und zu den Zedern im Libanon führt...

 

Eine spannende Familiensaga mit tiefen Einblicken in den Libanon und das politische Machtgezerre im Nahen Osten. 

 

Sylvie Schenk, "Schnell, Dein Leben"

ISBN 978-3-446-25331-5, Hanser-Verlage, 160 Seiten, 16,- Euro

 

Eine Liebesgeschichte mit autobiographischen Elementen. Tolles Buch. 

 

Der Roman erzählt vom Erwachsenwerden in den Französischen Alpen in den 50er-Jahren. Die "Heldin" studiert in Lyon und heiratet nach dem Studium einen Deutschen, in dessen Heimatdorf sie zieht. Eindrücklich beschrieben werden Atmosphäre und Mentalität im Nachkriegsdeutschland. 

 

Sprachlich in der Du-Form geschrieben. Dadurch sehr intensiv.

 

Christoph Ransmayr, "Cox oder der Lauf der Zeit"

ISBN 978-3-10-082951-1, Fischer-Verlage, 304 Seiten, 22,- Euro

 

Wortgewaltig, farbenprächtig, abenteuerlich

 

Qianlong, der Kaiser von China, der Herr der Welt und der Herr der 10.000 Jahre wünscht sich eine Uhr, mit der sich die Unendlichkeit messen lässt. Ein Perpetuum mobile. 

Die britischen Uhr- und Automatenspezialisten um Alistair Cox machen sich am Hof des Allmächtigen an die Arbeit und lernen dabei das höfische Zeremoniell, Qianlang und seine Konkubine An, die Schöne, die Zarte kennen.

 

Meisterlich! Wir ziehen den Hut.

Daniel Kehlmann, „Du hättest gehen sollen“ 

ISBN 978-3-498-03573-0, Verlag Rowohlt, 96 Seiten, 15,- Euro

 

Ein dünnes Büchlein mit unglaublicher Dichte. Phantastisch im wahrsten Sinne.

 

Eine junge Familie macht Urlaub in einer einsamen Berghütte abseits der Zivilisation. Aber irgendetwas stimmt nicht mit diesem Ferienhaus. Es beginnt mit seltsamen Träumen, Geräuschen. Bilder, die nicht mehr dort hängen, wo sie waren. Oder war das nur eine Täuschung oder Einbildung?

Nach und nach wird der Erholungsurlaub zum Horrortrip, die Konturen verschwimmen und der Boden beginnt zu wanken…

 

Daniel Kehlmann gelingt es, mit wenigen Worten eine Atmosphäre zu schaffen, für die andere Autoren doppelt so viel Raum beansprucht hätten. Kein Wort zu viel, einfach klasse.

 

Leon de Winter, „Geronimo“ 

ISBN-978-3-257-06971-6, Diogenes, 448 Seiten, 24,- Euro

 

Ein packender Roman nicht nur für Verschwörungstheoretiker.

 

„Geronimo“ lautete das Codewort, das die Männer vom Seals Team 6 durchgeben sollten, wenn sie Osama bin Laden gefunden hatten. Doch ist die spektakuläre Jagd nach dem meistgesuchten Mann der Welt wirklich so verlaufen, wie man uns glauben macht? Ein atemberaubender Roman über geniale Heldentaten und tragisches Scheitern, über die Vollkommenheit der Musik und die Unvollkommenheit der Welt, über Liebe und Verlust.

 

Neben dem minutiös geschilderten militärischen Kommandounternehmen enthält der Roman einen sensibel erzählten Handlungsstrang über das (Über)leben in Afghanistan und die Beziehung des Protagonisten zu einem behinderten afghanischen Mädchen.

 

Philipp Winkler, "Hool"

ISBN 978-3-351-03645-4, Aufbau-Verlag, 310 Seiten, 19,95 Euro

 

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2016

 

Heiko ist ein glühender Hannover 96 Fan. Und er schlägt sich gerne mit anderen Hools in organisierten "Matches". Eines Tages erwischt es seinen besten Freund Kai und er schwört Rache an den Braunschweiger Erzfeinden...

 

Der spannend und einfühlsam erzählte Roman gibt einen ungewöhnlichen Einblick in eine verborgene Welt am Rand der Gesellschaft. So gewaltvoll das Thema, so gewaltvoll die Sprache. Knallharte Lektüre, nichts für Zartbesaitete.

 

Reinhard Kaiser-Mühlecker, „Fremde Seele, dunkler Wald“  
ISBN: 978-3-10-002428-2, Fischer Verlag, 302 Seiten, 20,- Euro

 

Zwei Brüder auf ihrem Lebensweg, auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt. So unterschiedlich und doch untrennbar miteinander verbunden.

 

Ein wortreicher, sensibler Roman. Weitgehend unspektakulär entfaltet die Geschichte über eine Ober-Österreichische Familie eine ungeheure Anziehung.

 

 

Diesen noch sehr jungen aber bereits mehrfach preisgekrönten Autor wird man sich merken müssen.

 

Morten A Strøksnes, „Das Buch vom Meer“
ISBN: 978-3-421-04739-7, Deutsche Verlags-Anstalt, 366 Seiten, 19,99 Euro

 

Zwei Freunde auf der Jagd nach dem Eishai in den Gewässern der Lofoten.

 

Soweit die Rahmenhandlung: Der Erzähler und sein bester Freund Hugo möchten sich einen Jugendtraum erfüllen. Und sie benötigen mehr als ein Jahr für ihr großes Abenteuer. Zeit genug, sich mit dem Meer und seinen Bewohnern und mit den Geschichten und Mythen Nordnorwegens auseinanderzusetzen.

Man lernt in diesem Buch wirklich viel über das Meer und die Folgen unseres Umgangs damit, ganz ohne erhobenen Zeigefinger. 

 

Eine wunderbar lehrreiche Lektüre, eine Liebeserklärung an das Meer, sehr persönlich erzählt, fachlich versiert, Biologie-Unterricht vom feinsten. 

 


Christian von Ditfurth, „Zwei Sekunden“
 

ISBN 978-3-570-58567-2, carl’s books, 460 Seiten, 14,99 Euro

 

Ein beängstigend realistischer Thriller!

 

Staatsbesuch in Berlin. Nur zwei Sekunden nachdem die Kanzlerin und Russlands Präsident die Stelle passiert haben, explodiert eine Bombe und zerfetzt die nachfolgende Limousine. Es gibt vier Tote. Polizei und Geheimdienste sind in höchster Alarmbereitschaft. Wer steckt hinter diesem Anschlag und was bezweckten die Terroristen? Hauptkommissar de Bodt und sein Team müssen mit der russischen Seite kooperieren. Schnell wird klar, dass die Täter absolute Profis sind und, dass es einen Maulwurf geben muss…

 

 

Kurze Kapitel, ein rasanter Schmöker, der hoffentlich fiktiv bleiben wird. Ein echter Pageturner!

 


Georg Elterlein, „ Sprache der Krähen“
 

ISBN 978-3-7117-2039-9, Picus-Verlag, 248 Seiten, 22,- Euro

 

Leonard, der eiskalte Profi, trifft auf ein sprachloses Kind. 

Leonard ist ein einsamer Wolf. Er hat seine Erfahrungen gemacht und will von niemandem mehr abhängig sein. Da erhält er die Nachricht, dass sein Bruder und dessen Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen sind – und er der einzige verfügbare Verwandte ihres Sohnes ist. Leonard will sich auf nichts einlassen, bis er Erik kennenlernt: einen freundlichen, schüchternen Zehnjährigen, der infolge des Unfallschocks nicht sprechen kann. Bald spürt Leonard eine zarte Zuneigung zu dem Kind, das seinerseits an seinem Onkel hängt. Wenn da nicht Leonards letzter großer Job wäre, von dem er sich genügend Geld erhofft, um endlich alles hinter sich zu lassen. Und wenn da nicht Tina wäre, die er eben wiedergefunden und sofort wieder verloren hat …

 

Eine packende Kombination aus Thriller, Liebesgeschichte und Familiendrama – spannend und berührend.

 

Jane Gardam, „Letzte Freunde“
ISBN 978-3-446-25290-5 Hanser-Verlag, 240 Seiten, 22,- Euro

 

Wer die Vorgänger “Ein untadeliger Mann” und “Eine treue Frau” mit Vergnügen gelesen hat, wird auch wieder viel Freude mit diesem letzten Band der Trilogie haben.

 

Man fühlt sich als Gast bei einem Fest mit alten Bekannten. Alle sind einem schon einmal begegnet und zu dem ein oder anderen hat man eine etwas innigere Beziehung aufgebaut: Edward Feathers, Terry Veneering sein Gegenspieler, Betty die Frau zwischen 2 Männern, die wunderschöne reiche Chinesin Elsie aber auch der farblose Fiscal-Smith und Dulcie. Mehr erfahren wir diesmal von Terry, dessen abenteuerliche Kindheit geprägt war von einem entbehrungsreichen Leben an der kalten Nordostküste Englands und das mit Ausbruch des Krieges einen dramatischen Richtungswechsel erfuhr.

 

Terry ist bereits tot und nun bei der Beerdigung von Eddy kommen die letzten Freunde zusammen um den alten Zeiten noch einmal etwas Leben einzuhauchen – was Dulcie und Fiscal-Smith auch auf ihre ganz unvergleichliche Art und Weise gelingt. Aber diese Zeiten gehören nun endgültig der Vergangenheit an. Junge Familien, Intellektuelle, die aus der Stadt flüchten und reiche “Schnösel”, die Jagdhütten suchen, übernehmen die Immobilien und erfüllen die alten Gemäuer mit neuem Leben. Neue Zeiten brechen an! Aber wir werden uns immer mit großem Vergnügen an unsere alten Freunde aus der Zeit des Empire erinnern.

 

Colm Tóibín, "Nora Webster"
ISBN 978-3-446-25063-5, Hanser-Verlag, 384 Seiten, 26,- Euro

 

Neues vom gefeierten Autor von „Brooklyn“

 

Nora Webster versucht nach dem Tod ihres Mannes wieder in den Alltag zurück zu finden. Äußerlich funktioniert sie auch: sie sorgt für ihre 4 Kinder, beschafft sich Arbeit und nach einiger Zeit wagt sie hin und wieder, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Obwohl sie versucht, ihr eigenes Leben und damit auch das Leben ihrer Kinder in die Hand zu nehmen und zu gestalten, wirkt Nora abwesend und willenlos. Die irische Gesellschaft der 60er Jahre lässt einer intelligenten Frau wie ihr nicht viel Freiraum…

 

Wie in „Brooklyn“ beschreibt der Ire Colm Tóbín auch in seinem neuen Roman das Leben einer Frau, die versucht, sich zu verwirklichen und ihr Leben selbstbestimmt zu leben.

 

Claudia Piñeiro, "Ein wenig Glück"
ISBN 978-3-293-00506-8, Unionsverlag, 224 Seiten, 22,- Euro

 

Der Shootingstar der argentinischen Literaturszene, die in Buenos Aires geborenen Claudia Piñeiro, schreibt gerne über Ausnahmesituationen, in die ein Mensch – ob selbst verschuldet oder unschuldig – von einer Sekunde auf die andere geraten kann.

 

Ein Bahnübergang, eine heruntergelassene Schranke, ein blinkendes rotes Licht und kein Zug. Minutenlang kein Zug. Sie wollen ins Kino…

Mary ist eine “gezeichnete” Frau, die nach 20 Jahren an den Ort der Katastrophe zurückkehrt. Und so wie sie sich langsam, Schritt für Schritt ihrer Vergangenheit nähert, erfährt der Leser behutsam, was sich damals an dem Bahnübergang wirklich ereignet hat…

 

 

Ergreifend geschrieben wie Mary immer mehr zulässt und sich öffnet!

 

Dmitrij Kapitelman, „Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters“

 

ISBN 978-3-446-25318-6, Hanser-Verlag, 288 Seiten, 20,- Euro

 

Was für eine eine wunderbare Vater-Sohn-Geschichte! Oder ist es eher ein Buch über Identität? Eine Reise auf der  Suche nach Heimat? Auf alle Fälle ein sehr vielschichtiges, berührendes - und ein sehr heiteres Buch.

 

Die jüdischen Kapitelmans kamen in den 90er-Jahren als sogenannte “Kontingentflüchtlinge” von Kiew in die sächsische Provinz. Der Sohn Dmitrij lernte schnell die neue Sprache und er lernte schnell den Nazis aus dem Weg zu gehen. Inzwischen leben die Eltern in Leipzig und der Vater betreibt ein Geschäft mit russischen Spezialitäten. Aber wer ist eigentlich dieser Vater? Dmitrij hat das Gefühl als wäre er unsichtbar. Zum 60. Geburtstag will er ihn aus der Reserve locken: eine mehrwöchige Reise nach Israel wird geplant. Aber wer geht auf Reisen? Zwei Deutsche, die Verständnis für die Israels haben aber auch nicht scheuen, die erdrückenden Probleme der Palästinenser anzusprechen? Oder zwei Juden, die an der Klagemauer ihr Gebet verrichten wollen? Oder einfach nur zwei Russen, die alte Freunde besuchen?

 

Wie schreibt Lily Brett so schön und treffend: "Der schmerzliche und unheimlich komische Versuch, einen Vater zu verstehen, der nirgends richtig hingehört." Absolut lesenswert!!!

 

Übrigens: Der Autor veröffentlicht auch unter dem Künstlernamen DHEEMA Hip-Hop Musik.

 

Yrsa Sigurdardottir, „DNA“ 

ISBN-978-3-442-75656-8, btb-Verlag, 480 Seiten, 19,99 Euro

 

Die vielleicht beste Krimiautorin Islands hat wieder zugeschlagen.

 

Der Mörder schlägt erbarmungslos zu. Und er sendet geheime Botschaften, die nur der Chemiestudent Karl, ein eingefleischter Amateur-Funker, entschlüsseln kann. Gibt es eine Verbindung zwischen den Opfern? Kommissar Huldar und die Psychologin Freyja tappen lange im Dunkeln, aber sie kommen dem Mörder immer näher…

 

 

Lesen Sie diesen Thriller nicht vor dem Einschlafen, wenn Sie alleine zu Hause sind!

 

Gerhard Streminger, „Die Fremde“

ISBN 978-3-99200-162-0, Braumüller Verlag, 240 Seiten, 22,- Euro

 

Eine sensibel erzählte Geschichte um Heimat, Vertreibung und Entwurzelung.

 

Emily McCleod schreibt in der Rückschau Briefe an ihre Enkelin Enya. Darin schildert sie das idyllische aber auch harte Leben in ihrem Heimatdorf in einem einsamen Hochtal während ihrer Kindheit. Eine Liebeserklärung an die Natur und die Menschen, die dort in Einklang mit der Natur leben. Eines Tages wird gegen den Willen der Bewohner ein Staudamm errichtet, das Dorf verschwindet in den Fluten, alle müssen weg. Jahre später wird der Staudamm abgelassen und Emily kommt zurück…    

 

Ach, das Schottische Hochland…Sehnsucht!

 

Tor Even Svanes, "Ins Westeis"

ISBN 978-3955101152, Osburg Verlag, 200 Seiten, 18,- Euro

 

Ein Robbenfänger auf dem Weg ins Westeis nach Grönland. Mit an Bord, die junge Tierärztin Mari, die die Fangmethoden der Crew kontrollieren soll. Und die sind alles andere als ethisch akzeptabel. Als Mari die Mannschaft zur Rede stellt und mit einer Anzeige droht, kippt die Stimmung an Bord. Sie wird selbst zur Gejagten...

 

Ein dramatisches Psychospiel von großer Intensität. Nicht nur für Tierschützer empfehlenswert.

Martin und Ulrike Gensbaur, "Auftauchen an einem anderen Ort"

ISBN 978-3-89235-243-3 , scaneg-Verlag, 60 Seiten, 12,- Euro

 

Unser Kunst-Tipp: Die dritte Ausgabe der Schriftenreihe "Das Kunstfenster" erscheint anlässlich einer gemeinsamen Ausstellung des Dießener Malers Martin Gensbaur mit der taiwanischen Malerin Jiang Sanshi.

 

In der dritten Ausgabe der Schriftenreihe kommt es zur Begegnung zweier Kulturen. Martin Gensbaur geht in einem Aufsatz und als Maler den Spuren Lovis Corinths in Urfeld am Walchensee nach. Seine am Walchensee entstandenen Ölbilder, Ölskizzen und kleinformatigen Gouachen handeln motivisch von Berg und Wasser. Ulrike Gensbaur vergleicht diese mit Arbeiten der taiwanischen „Berg-Wasser-Malerin“ Jiang Sanshih. Abgesehen von zu erwartenden Unterschieden, findet sie überraschend Gemeinsames. So entstehen die Bilder beider Künstler direkt vor Ort.

Der „Umweg über China“ macht neugierig. Lesen, Schauen, Staunen!

 

Michael Dibdin, "Schwarzer Trüffel"

ISBN 978-3-293-60887-0, Unionsverlag, 347 Seiten, 9,99 Euro

 

Der in Italien ermittelnde Polizeikommissar Aurelio Zen wird diesmal – etwas gezwungenermaßen - in ein kleines Dorf im Piemont beordert: der größte dortige Weinbauer wurde grausamst ermordet und nun steht die Weinernte auf dem Spiel. Aurelio Zen möchte nur schnell diesen Mord aufklären, was ihm auch mit etwas ungewöhnlichen Methoden gelingt, um dann möglichst bald wieder nach Rom zurückkehren zu können. Doch die Ereignisse überschlagen sich: es gibt 2 weitere Tote und Aurelio Zen muss sich mit möglichem Familienzuwachs auseinander setzen.

Ein Krimi mit kulinarischen Exkursionen, einem Freigeist von Ermittler und einer eingeschworenen, teils verworrenen Dorfgemeinschaft. Und mit einem völlig überraschendem Ende! Auf alle Fälle hat Aurelio Zen den Mörder des Weinbauern zur Strecke gebracht....

 

Hans Platzgumer, „Am Rand“

ISBN 978-3-552-05769-2, Hanser/Zsolnay Verlag, 208 Seiten, 19,90 Euro

 

Fesselnde Lebensbeichte eines Mörders und potenziellen

Selbstmörders.

 

Ein Mann macht eine einsame Bergwanderung mit dem festen

Vorsatz, sich bei Einbruch der Dunkelheit in den Abgrund zu stürzen. Am Gipfel angekommen setzt er sich auf eine Felskante und schreibt seine Geschichte in ein Heft. Er erzählt einem ihm unbekannten, zufälligen Finder des Heftes, warum

er zum Mörder wurde und führt ihn hin zu seinem letzten Schritt am Ende des Tages...

 

Ein einringlicher Appell gegen allzu schnelle und einseitige Vorverurteilungen. Präzise Sprache, dramaturgisch perfekt aufgebaut. Spannend bis zum letzten Wort.

 

Gard Sveen, „Der letzte Pilger“

ISBN-13 9783471351161, Ullstein/List-Verlag, 544 Seiten, 14,99 Euro

 

Norwegen im zweiten Weltkrieg und 60 Jahre danach. 

In der Region Nordmarka werden durch Zufall 3 Leichen entdeckt. Ein Kriegsverbrechen, eine alte Geschichte, längst vergessen. Kurz darauf wird ein ehemaliger Minister und bekannter Widerstandskämpfer grausam ermordet. Kommissar Tommy Bergmann vermutet einen Zusammenhang und macht sich auf die schwierige Spurensuche. Er muss tief graben in der Vergangenheit...

 

Heißer Spionage-Krimi aus dem hohen Norden. Eine packende Reise in die Norwegische NS-Besatzungszeit.

 

Joachim Meyerhoff, „Alle Toten fliegen hoch - Amerika“

ISBN 978-3-462-04436-2, kiwi Verlag,326 Seiten, 9,99 Euro

 

Wenn Sie mal wieder herzhaft lachen wollen.

 

Treffend beschreibt der Roman die Sehnsüchte eines 17jährigen, sein gesittetes Leben in seiner norddeutschen

Familie in einer norddeutschen, verschlafenen Kleinstadt. Gutbürgerlich. Sein Ausbruch und Aufbruch als Austauschschüler in die große weite Welt – nach

Amerika. Nach Wyoming. Nach Laramie. Einer verschlafenen Kleinstadt in the middle of nowhere. Mitten hinein in eine gutbürgerliche amerikanische Familie....

 

Eine mitreißend erzählter Roman voller skurriler Geschichten und Episoden, sensibel und urkomisch. Die perfekte Urlaubslektüre!

 

Wer mehr davon möchte, hier geht’s im gleichen Stil weiter:

 

Joachim Meyerhoff, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“

Joachim Meyerhoff, „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“

 

Bastian Obermayer/Frederik Obermaier, „Panama Papers“

ISBN 978-3-462-05002-8, Kiepenheuer&Witsch,, 350 Seiten, 16,99 Euro

 

Pflichtlektüre für alle braven Steuerzahler!

 

Panama Papers ist eine unglaublich schlimme Geschichte. Das schlimmste daran: diese Geschichte ist wahr. Die größte Enthüllungsgeschichte

aller Zeiten, basierend auf dem größten Leak aller Zeiten. Ausgangspunkt: eine anonyme Quelle, mehrere Terrabyte Daten. 400 Journalisten weltweit arbeiten zusammen und enthüllen ein undurchschaubares Geflecht an Briefkastenfirmen, hinter denen sich unfassbar viel Geld versteckt. Es geht um Diktatoren, Präsidenten und andere Politiker, Wirtschaftsbosse, Milliardäre und Millionäre, die sich eine Parallelwelt geschaffen haben, in der sie unangreifbar geworden sind. Das ist übelster Kapitalismus in Reinform.

 

Man denkt immer, es kann nicht schlimmer kommen...und dann gibt es die „Panama Papers“.

 

Hans Pleschinski (Hsg.), „Ich war glücklich, ob es regnete oder nicht“

ISBN 978-3-406-69165-2, C.H. Beck Verlag, 256 Seiten, 22,95 Euro

 

Heutzutage werden die Smartphones gezückt, wenn man sich auf Reisen begibt. Zur Zeit von Else Sohn-Rethel (1853-1933) griff man zu Notiz- und Skizzenbüchern, um seine Eindrücke festzuhalten.

Rauschende Feste wurden üppigst gestaltet. In den langen Wintermonaten wurden aufwendige Theatervorstellungen auf die Beine

gestellt. Die Kinder erhielten Gesangsunterricht bei Opernsängern. Künstler, Literaten, Architekten gingen ein und aus und Else selbst spricht von ihrer Mutter als der “dichtenden Mutter”. Was für ein anregend-künstlerisches Milieu, das uns Else Sohn-Rethel beschreibt. Ihre sehr

warmherzigen Aufzeichnungen, die sich auf die Jahre zwischen ca. 1850 und 1900

beziehen, werden von Hans Pleschinski behutsam ergänzt mit kurzen historischen

Abrissen, aber auch mit anderen Quellen, die deutlich machen, dass Elses

Familie trotz Kriegen und Epidemien ein relativ sorgloses Leben führen konnte.

Dass dieses Privileg nicht selbstverständlich war, lässt auch die Autorin immer

wieder durchblicken.

 

Hörbuch - gelesen von Friedhelm Ptok

Jenny Erpenbeck, „Gehen, ging, gegangen“

ISBN 978-3-95713-041-9, Hörbuch Hamburg,8 CD’s mit 608 Min Laufzeit, 20,- Euro

 

Für aktuelle Tagespolitik hat sich Richard, Witwer und inzwischen emeritierter Professor für alte Sprachen, nie wirklich interessiert. Er lebt in der Welt der griechischen Mythologie, der lateinischen Klassiker, der Musik Bachs. Doch eines Tages stolpert er über Asylsuchende, die

auf dem Oranienplatz campieren. Und er fängt an Fragen zu stellen! Er versucht zu verstehen, er versucht zu helfen und etwas zu bewegen. Doch wie soll er – eingebettet in seiner großbürgerlichen Denk- und Lebensart - die Flüchtlinge verstehen?

 

Mit der unaufgeregten Stimme von Friedhelm Ptok erleben wir das Ringen Richards mit,

der sich auf das Warten der Flüchtlinge einlässt. Das Anregende ist, dass nicht

nur Richard sich immer wieder auf Neues einlässt, sondern dass auch die, die im

Moment hier in Deutschland nur geduldet sind, Fragen stellen und damit auch

unser Leben hier im Westeuropa hinterfragt wird. Absolut hörenswert!

 

T.R. Richmond, „Wer war Alice?"

ISBN-13: 978-3844521368, Goldmann Verlag, 450 Seiten, 14,99 Euro

 

Alice ist tot. Aber wer war sie? Das versucht ihr ehemaliger Uni-Dozent zu klären. Aus unzähligen Mosaik-Schnipseln rekonstruiert er ihre Geschichte und die letzten Minuten bis zu ihrem Tod .

Bei diesem Roman geht es um die Frage: Was ist

Identität heutzutage? Woraus setzt sich ein Mensch zusammen? Aus mails, Whats App- Nachrichten, Fotos, Tagebucheinträgen, Blogs,....

 

Spannend!