Lesetipps für Erwachsene - Teil 2

Michael Lüders, "NSA - Never Say Anything"
ISBN 978-3-406-68892-8, C.H.Beck, 367 Seiten, 14,95 Euro
Ein spannener Geheimdienst-Thriller, nah an der Realität!
Die Journalistin Sophie hat Zweifel am natürlichen Tod ihres Freundes. Sie beginnt zu recherchieren, stellt Fragen und gerät dadurch rasch ins Visier der Geheimdienste. Mit dem Mut der Verzweiflung sucht sie unter Lebensgefahr weiter nach der Wahrheit und steht schließlich vor der Frage: was ist wichtiger? Tod oder Moral?
Die Geschichte ist zwar fiktiv, aber sehr glaubwürdig komponiert.

Marjana Gaponenko, "Das letzte Rennen
ISBN 978-3-406-68955-0, C.H. Beck, 266 Seiten, 19,95 Euro
Kaspar, ein verwöhnter junger Mann in der guten Wiener Gesellschaft, studiert etwas ziellos vor sich hin und scheint von den Menschen, insbesondere den Frauen um ihn, weniger zu verstehen als von den Ponys, die sein wohlhabender Vater sammelt. Der Vater Adam, ein aus Polen stammender Ingenieur und Selfmademan, verehrt Pferdekutschen und Kutschpferde und liefert sich mit dem einzigen Sohn ein verhängnisvolles Rennen...
Komisch, grotesk, hellsichtig und voll schwarzem Humor und Melancholie erzählt Marjana Gaponenko in ihrem neuen Buch vom bösen Erwachen eines modernen Taugenichts, der auf drastische Weise einige hilfreiche Lektionen fürs Leben lernt.

Nino Haratischwili, "Das achte Leben - für Brilka"
ISBN 978-3-627-00208-4, Frankfurter Verlagsanstalt, 1280 Seiten, 34.- Euro
Mit „Das achte Leben – Für Brilka“ ist der Georgischen
Schriftstellerin ein Gesellschaftsroman der Extraklasse gelungen. Was für ein Buch: fast 1,300 Seiten und nicht eine einzige davon langweilig oder gar überflüssig!
Georgien, 1900: Mit der Geburt Stasias, Tochter eines angesehenen Schokoladenfabrikanten, beginnt dieses berauschende Opus über sechs Generationen.
Deutschland, 2005: Nach dem Fall der Mauer und der Auflösung der UdSSR herrscht in Georgien Bürgerkrieg. Niza, Stasias hochintelligente Urenkelin, hat mit ihrer Familie gebrochen und ist nach Berlin ausgewandert. Ihrer 12jährigen Nichte Brilka wird sie die ganze Geschichte erzählen...
Ein mitreißender Familienroman, der mit hoher Emotionalität über die Spanne des 20. Jahrhunderts bildhaft und eindringlich, dabei zärtlich und fantasievoll acht außergewöhnliche Schicksale erzählt.

Juli Zeh; „Unterleuten“
ISBN 978-3-630-87487-6, Verlag Luchterhand, 640 Seiten, 24,99 Euro
Unterleuten ist überall.
Das kleine Dorf Unterleuten liegt im Speckgürtel Berlins.
Durch die Entscheidung der großen Politik, dort einen Windkraftpark anzulegen, wird es aus einer trügerischen Idylle gerissen. Alte Seil- und Feindschaften der dort wohnenden Einwohner treffen auf die moderne Ideenwelt einiger
zugezogener Neubürger. Ungeschriebene dörfliche Gesetze werden verletzt, Konflikte eskalieren, die Dorfgemeinschaft steuert auf eine Katastrophe
zu...
Unterleuten hat alles, was unter Leuten zwischenmenschlich halt so passiert. Ein großartiger Gesellschaftsroman, mit klar charakterisierten Protagonisten, wie sie in jeder Gemeinde zu finden sind. Witzig und spannend wie ein Thriller.

Eva Schmidt, „Ein langes Jahr“
ISBN: 978-3-99027-080-6, Jung und Jung, 212 Seiten, 20.- Euro
Nach 20 Jahren Pause endlich ein neuer Roman der Erfolgsautorin.
Der Leser verstrickt sich immer mehr in den Roman der österreichischen Autorin Eva Schmidt. Fast bis zur Mitte des Bandes könnte man meinen, dass es sich um einzelne Erzählungen von Einsamkeit, von Lethargie, vom In-sich-gekehrt-sein, von Ausweglosigkeit handelt, es gibt
keinerlei Berührungen zwischen Mann und Frau, zwischen Mutter und Kind, zwischen Jung und Alt. Doch dann ist auf einmal das feine, zarte Netz zu spüren, dass die Autorin über all diese Lebenswege gespannt hat...
Ein wunderbarer Roman, der gerade in seiner Zurückhaltung tief in menschliche Seelen blicken lässt. Langer Nachhall garantiert!

Isabel Bogdan, „Der Pfau“
ISBN: 978-3-462-04800-1, Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 18,99 Euro
Beste Unterhaltung. Very British!
Eine Gruppe von Investmentbankern reist zu einem Teambuilding Wochenende in die Schottischen Highlands. Auf dem herrschaftlichen Anwesen von Lord und Lady McIntosh befinden sich Feriencottages und allerlei Kleinvieh, unter anderem auch Pfauen. Einer der Pfauen dreht durch und reagiert höchst ungewöhnlich auf die Farbe blau. Zum Schutz seiner Gäste muss Lord McIntosh zu drastischen Maßnahmen greifen...
Der Pfau ist eine subtile Komödie in bester Britischer Manier. Wer den schwarzen Humor derBritischen Fernsehserie „Fawlty Towers“ mag, wird an diesem pointenreichen Roman seine wahre Freude haben.

Peter Henning, „Die Chronik des verpassten Glücks“
ISBN: 978-3-630-87446-3, Luchterhand Literaturverlag, 296 Seiten, 19,99 Euro
Dieser Roman beschreibt die Auswirkungen, die es haben kann, wenn ein Vater seine Kinder verlässt. Der Sohn Marcin bleibt lebensunfähig und verwahrlost. DieTochter Lucina schenkt ihre Liebe dem unbekannten Vater anstelle der anwesenden, fürsorgenden Mutter. Allein die Mutter, Oliwia, die im Sterben liegt, weiß um das Geheimnis von Pawels Flucht aus Polen. Und dann ist da noch Richard Warlo, der 25 Jahre danach auf die Suche nach seinem Ziehvater, dem Polen Pawel geht...
Peter Henning führt uns eindrucksvoll vor Augen, wie uns Lücken, Geheimnisse und
blinde Flecken in unseren Lebens- und Familiengeschichten tiefer prägen, als alles Bekannte.

Michael Köhlmeier, „Das Mädchen mit dem Fingerhut“
ISBN 978-3-446-25055-0, Hanser Literaturverlage, 144 Seiten, 18,90Euro
Eine bewegend erzählte Geschichte von Menschen ohne Herkunft.
Irgendwo in einer großen Stadt, in Westeuropa. Ein kleines Mädchen kommt auf den Markt, hat Hunger. Sie versteht
kein Wort der Sprache, die man hier spricht. Doch wenn jemand „Polizei“ sagt, beginnt sie zu schreien. Woher sie kommt? Warum sie hier ist? Wie sie heißt? Sie weiß es nicht. Yiza, sagt sie, also heißt sie von nun an Yiza.
Ein Roman über kindliche Stärke und den Willen zu Überleben – ein Roman, dessen Faszination man sich nicht entziehen kann.

Abbas Khider, „Ohrfeige“
ISBN 978-3-446-25054-3, Hanser Literaturverlage, 224 Seiten, 19,90 Euro
Ein warmherziger Roman rund um eine hochaktuelle Thematik.
Als Karim von der Ladefläche eines Transporters ins Freie springt, glaubt er in Frankreich zu sein. Bis dorthin hat er für seine Flucht aus dem Irak bezahlt. In Wahrheit ist er mitten in der bayerischen Provinz gelandet. – Er kämpft sich durch Formulare und Asylunterkünfte bis er plötzlich seinen Widerruf erhält und abgeschoben werden soll. Jetzt steht er wieder ganz am Anfang. Er kämpft weiter...
Exemplarisch beschreibt Abbas Khider das Schicksal vieler Flüchtlinge: in der Heimat kann ich nicht, hier darf ich nicht bleiben. Stimmgewaltig, traurig und dennoch voller Witz.

Juan Gabriel Vasquez, „Die
Reputation“
ISBN: 978-3-89561-009-7, Schöffling & Co., 192 Seiten, 19,95 Euro
„Die Karikatur ist ein von Honig umhüllter Stachel.“
Die Würdigung für sein Lebenswerk ist der Honig, ein längst in Vergessenheit geratener Abend ist der Stachel.
Javier Mallarino ist ein berühmter Karikaturist in Kolumbien. Seit 40 Jahren ist er mit seinen Arbeiten täglich in der Presse vertreten. Jetzt erhält er für sein Werk die höchste
Auszeichnung des Landes. Auf dem Höhepunkt einer glänzenden Karriere wird er abrupt mit seiner Vergangenheit konfrontiert...
Eine meisterhafte Erzählung über die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, zwischen Erinnern und Vergessen.

Eugene McCabe, "Die Welt ist immer noch schön"
ISBN 978-3-95829-048-8, Steidl Verlag, 136 Seiten, 16.- Euro
In der heutigen Zeit sind wie es gewohnt global zu denken und zu handeln – so bewegen wir uns auch gerne in der Literatur an mehreren Orten gleichzeitig. Nicht so bei dem neuen Roman von Eugene McCabe! Die menschlichen Dramen spielen sich in einem Raum ab – wie auf einer Bühne, allerdings ohne Kulissenwechsel. Und das entwickelt eine ganz eigene Dynamik!
Wir befinden uns in den 70er Jahren in Irland, in dem Salon eines Landsitzes.Dort werden mehrere Frauen und Männer von IRA-Leuten festgehalten, die inhaftierte Mitstreiter freipressen wollen. Auch der Leser ist mitgefangen, spürt die Anspannung und die verschiedenen Weltanschauungen, die hier aufeinander prallen. Doch wo verlaufen die Fronten? So einfach ist das nicht. Auch innerhalb der Gruppen gibt es riesige Gräben. Weder der irische Autor noch wir Leser können eindeutig Position beziehen.
Ein kleiner Roman aber ein großes Leseerlebnis, das einen atemlos zurücklässt.

Stephan Orth, "Couchsurfing im Iran“
ISBN 978-3-89029-454-4, Verlag Malik, 240 Seiten, 14,99 Euro
Couchsurfing im Iran? Das klingt gefährlich und ist auch offiziell verboten.
Stephan Orth reist 62 Tage lang kreuz und quer durch den Iran. Über 8.000 km legt er auf seiner Reise zurück. Das wäre an sich schon Abenteuer genug. Aber er setzt noch eins drauf.
Er übernachtet nicht in Hotels sondern in Privatunterkünften, bei irgendwelchen Menschen, die er zufällig kennenlernt. 22 Gastgeber öffnen ihm ihre Tür. Dabei blickt er tief
hinter die Kulissen des islamistischen, von Mullahs dominierten Landes, wie es uns die Medien üblicherweise vermitteln. Hinter denverschlossenen Türen fällt der Schleier und mit ihm die Angst vor den Sittenwächtern.
Ein amüsantes Buch über die Kunst der Iraner zu Improvisieren und vor allem über eine hierzulande kaum vorstellbare Gastfreundschaft. Mitreißend erzählt Stephan Orth von den kleinen Freiheiten und großen Sehnsüchten der Iraner.

Katharina Hartwell, „Der Dieb in der Nacht“
ISBN: 978-3-8270-1279-1, Berlin-Verlag, 320 Seiten, 20,- Euro
Vor 10 Jahren ist Felix spurlos verschwunden.
In einer Bar in Prag glaubt Paul, seinen alten Schulfreund wieder zu erkennen. Der nennt sich Blixen und sieht Felix
äußerlich zwar nicht ähnlich. Aber seine Mimik, die Art, wie er sich bewegt und ein charakteristisches Muttermal, überzeugen Paul. Blixen selbst behauptet, bei einem Unfall sein Gedächtnis verloren zu haben. Ein spannendes Verwirrspiel beginnt. .
Blixen scheint eine Metamorphose durch zu machen, seine Identität changiert. Auch
Felix‘ Schwester Louise und seine Mutter Agnes sind von Blixen fasziniert. Er
hat etwas Magisches, etwas, dem sie sich nicht entziehen können...
Es ist kein Zufall, dass Kafkas Prag als Kulisse in diesem Roman eine wichtige Rolle spielt. Düster. Geheimnisvoll. Spannend. Super!

Lena Gorelik, „Null bis Unendlich“
ISBN 978-3871348068, rohwolt, 304 Seiten, 19,95 Euro
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe dreier
ungewöhnlicher Menschen.
Nils (ohne e) Liebe ist hyperintelligent und etwas seltsam.
In der serbischen Migrantin Sanela findet er trotz aller Unterschiede ein zu ihm passendes Pendant. Ihre Zuneigung zueinander braucht so gut wie keine Worte. Nach einer schmerzhaften Trennung finden sie Jahre später wieder
zueinander. Sanela hat jetzt einen kleinen Sohn, Niels (mit e)-Tito, und sie
hat Krebs...
Mit „Null bis Unendlich“ ist Lean Gorelik literarisch zweifelsohne ein großer Wurf gelungen, der sie direkt in die erste Liga der zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren bringen wird.

Ayelet Gundar-Goshen, „Löwen wecken“
ISBN: 978-3-0369-5714-2, Kein und Aber, 432 Seiten, 22,90 Euro
Ein spannendes Gesellschafts- und Psychodrama im heutigen
Israel. Ganz ohne Holocaust-Bezug.
Der junge, ambitionierte Arzt, Etan überfährt eines Nachts in
der Wüste einen Mann. Es gibt keine Zeugen und der Mann wird ohnehin sterben. Etan begeht Fahrerflucht. Am nächsten Morgen steht dessen Frau mit der Brieftasche Etans vor seiner Tür. Er muss ihr folgen...
Löwen wecken ist ein sorgfältig ausgetüftelter Roman über Gut und Böse, zeitlos und doch wegen der Flüchtlingsthematik hochaktuell. Immer wieder stellt sich dem Leser die Frage: „Wie hättest Du entschieden?“

Fuminori Nakamura, „Der Dieb“
ISBN 978-3-257-86269-0, Diogenes, 224 Seiten, 22,- Euro
Der Roman des mehrfach ausgezeichneten, aber hierzulande immer noch weitgehend unbekannten Autors, Fuminori Nakamura, erzählt aus dem Leben eines Taschendiebs in Japans Metropole.
Der Dieb beherrscht sein Metier. Er bestiehlt die gut angezogenen Reichen mit Vorliebe in vollbesetzten U-Bahnen. Dabei geht es ihm gar nicht um Geld. Es ist der Nervenkitzel, eine Sucht, die ihn treibt. Er freundet sich mit einem kleinen Jungen an, der stehlen muss, um überleben zu können. Diese Freundschaft macht ihn erpressbar und er gerät in die Fänge eines skrupellosen Gangsterbosses. Ein Spiel um Leben und Tod beginnt...
Der Dieb ist eine packende Geschichte, die uns die fremde japanische Lebensweise ein Stück weit näher bringt. Eine beeindruckende Mischung aus Action Thriller und philosophischen Betrachtungen über Schicksal und Einsamkeit.

Lea Singer, „Anatomie der Wolken“
ISBN 978-3-455-40519-4, Hoffmann und Campe, 256 Seiten, 20.- Euro
Herrlich unterhaltsam!
Zwei große Künstler ihrer Zeit treffen sich, zwei, die unterschiedlicher nicht sein können: der eine, Johann
Wolfgang von Goethe, der weltberühmte Dichter, Politiker und Diplomat ist abgeklärt alt, eitel und lüstern. Der andere, Caspar David Friedrich, der noch unbekannte Maler ist unbedarft jung, schlicht und romantisch. Er malt riesige Bilder, die fast ausschließlich aus Wolken bestehen, sonst nichts. Unglaublich
und völlig unverständlich für den strukturliebenden Goethe.
Zu allem Übel fühlen sich beide Künstler derselben schönen Frau zugeneigt, Luise Seidler...
Lea Singer ist mit diesem Roman ein sinnliches Porträt beider Künstler und ihrer Zeit gelungen.
Eine amüsante Geschichte im Stil der Bestseller „Die Vermessung der Welt“ von
Daniel Kehlmann oder „Die Welt ist im Kopf“ von Christoph Poschenrieder.

Renèe Knight, "Deadline"
ISBN: 978-3-442-31406-5, Goldmann Verlag, 352 Seiten, 12,99 Euro
Catherine ist geschockt, als sie ein Buch zu lesen bekommt, in dem sie selbst die Hauptrolle spielt, und in dem sie am Ende ermordet wird.
Wer hat das Buch geschrieben und wie gelangte es in ihr Haus?
Sie ist gezwungen, sich ihrer lange verdrängten Vergangenheit zu stellen. Und sie muss für ihr Geheimnis und ihr Schweigen einen hohen Preis zahlen.
Ein packender Plot mit glaubhaft geschilderten Charakteren und unvorhersehbaren Wendungen....kaum Zeit zum Atem holen.

Sascha Reh, "Gegen die Zeit"
ISBN 978-3-89561-087-5, Schöffling & Co., 360 Seiten, 21,95 Euro
Chile, Anfang der 70er Jahre. Der sozialistische Präsident Allende will die gesamte Wirtschaft des Landes mit Hilfe eines umfassenden Computersystems steuern. Dazu bringt die Regierung eine Gruppe junger Wissenschaftler und Techniker zusammen, die dieses Mega-Projekt stemmen soll. Eine logistische Meisterleistung, die die Welt verändern könnte. Entsprechend groß ist der Enthusiasmus der Gruppe. Gerade als dem Team der Durchbruch gelingt, stürzt das Militär unter General Pinochet die Regierung und eine gnadenlose Zeit der Unterdrückung beginnt. Niemand und nichts bleibt verschont.
Ein historisches Zeitdokument, hervorragend recherchiert und als Roman überaus spannend erzählt.

Ricardo Piglia, „Munk“
ISBN 978-3-8031-3269-7, Wagenbach, 256 Seiten, 22,90 Euro
Ein Krimi, der ein politischer Roman ist.
Eine Anschlagsserie in den USA richtet sich gegen Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche. Als die Geliebte des Literaturprofessors, Emilio Renzi, Opfer einer Briefbombe wird, beginnt er zu recherchieren. Er kommt einem hochintelligenten Einzelgänger auf die Spur, der ein politisches Manifest gegen den Kapitalismus verfasst hat und dessen revolutionären Thesen er sich nicht entziehen kann.
Ein intelligentes Buch, eine spannende Abrechnung mit dem Kapitalismus, wie er in Amerika gelebt wird, dabei sehr literarisch mit vielen Querverweisen zu bekannten Schriftstellern, wie z.B. Joseph Conrad, W.A. Hudson oder James Joyce.

Sigge Eklund, „Das Labyrinth“
ISBN 978-3-8321-9758-2, Dumont Buchverlag, 384 Seiten, 14,99 Euro
Ein Psychothriller erster Klasse.
Die 11jährige Magda verschwindet eines Abends spurlos. Aus
Sicht ihrer um sich selbst kreisenden Eltern und eines geschäftlich befreundeten Ehepaars rekonstruiert der Autor den mysteriösen Fall und deckt dabei höchst ungewöhnliche Parallelen in ihren Lebensgeschichten auf. Ein verzwicktes Labyrinth mit Irrwegen und überraschenden Wendungen tut sich auf...
Wem „Die Lügen der anderen“ oder „Gone Girl“ gefallen hat, der wird diesen Psychothriller nicht aus der Hand legen können.

Lorenza Gentile, „Teo“
ISBN 978-3-423-28051-8, dtv, 200 Seiten, 19,90 Euro
Was für ein liebenswertes Buch!
Die Eltern von Teo stehen kurz vor der Trennung. Teo will die
familiäre Katastrophe unbedingt verhindern und macht einen Plan. Er muss den
siegreichen Kriegshelden, Napoleon treffen, um von ihm zu erfragen, wie er den
Kampf gegen die drohende Scheidung gewinnen kann. Dummerweise ist Napoleon
schon lange tot, und Teo muss einen Weg finden, zu ihm zu kommen...
Die kindliche Sicht des 8jährigen Teo auf die großen Dinge
des Lebens ist einfach köstlich erzählt. Wir Erwachsene können so viel von Teo
lernen. Kurzweilig und herzerfrischend.

Vea Kaiser, "Makarionissi"
ISBN: 978-3-462-04742-4, Kiepenheuer und Witsch, 464 Seiten, 19,99 Euro
Beste Unterhaltung garantiert. Eine hinreißende Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen von den 50er Jahren bis heute erstreckt und dabei nie zäh oder langweilig wird.
Munter drauf los erzählt Vea Kaiser aus dem Leben einer Griechischen Großfamilie, wie wir sie uns vorstellen: laut,liebenswert und ein bisschen chaotisch. Kleine und große Katastrophen des Alltags führen die einzelnen Familienhelden und -heldinnen vom Bergdorf Viritsa an der Griechisch-Albanischen Grenze über Hildesheim, Chicago, Zürich und St. Pölten bis zur Insel Makarionissi. Auf jeder Seite pulsiert das Leben. Es riecht nach Sonne, Strand, Tsatziki und Ouzo.
Wer Vea Kaisers sensationellen Debütroman „Blasmusikpop“ gelesen hat, kann abschätzen, was ihn erwartet und wird nicht enttäuscht sein. Unbedingt lesen!

Paula Hawkins, "Girl on the train"
ISBN: 978-3-7645-0522-6, Verlag Blanvalet, 448 Seiten, 12,99 Euro
Falls Sie noch eine spannende Urlaubsschmöker suchen!
Rachel pendelt täglich mit dem Zug. Immer an derselben Stelle muss der Zug anhalten. Sie schaut aus dem Fenster, beobachtet eine Frau und einen Mann in ihrem Reihenhaus in dem beschaulichen
Vorort London's und reimt sich eine romantische Geschichte zusammen. Eines Tages beobachtet sie etwas, was ihre Geschichte jäh zum Einsturz bringt. Kurz darauf verschwindet die
Frau. Rachel muss die Wahrheit herausfinden und setzt dabei ihr Leben aufs Spiel.
Ein hervorragend gemachter Psychothriller im Stil von "Gone Girl". Nichts für schwache Nerven.

Herman Koch, „Sehr geehrter Herr M.“
ISBN 978-3-462-04738-7, Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten, 19,99 Euro
Dieser Roman liest sich wie ein Krimi, ist aber weit mehr.
Im Zentrum des Romans stehen ein Schülerpaar und ihr verschwundener Lehrer. Der berühmte Autor M. hatte ihre Geschichte vor Jahren in einem seiner Bestseller verarbeitet. Nun lebt er mit seinem verblassenden Ruhm und mit seiner viel jüngeren Frau und der gemeinsamen Tochter in einer holländischen Stadt. Im gleichen Haus, direkt unter Familie M. wohnt ein junger Mann, der großes interesse am Leben des Schriftstellers entwickelt und sich immer mehr in dessen Leben einschleicht. Was treibt ihn dazu und was hat der geheimnisvolle Nachbar vor?
Geschickt verwobene Erzählstränge, dazu eine elegante Sprache mit viel Wortwitz, ein typischer Herman Koch. Komplex, aber dennoch unterhaltsam und spannend bis zum Schluss. Ideal für den Strandkorb.

Clare Mackintosh, "Meine Seele so kalt"
ISBN 978-3-404-17292-4, Bastei Lübbe, 480 Seiten, 9,99 Euro
Kaum zu glauben, dass das ein Debütroman ist.
Ein fünfjähriger Junge wird bei einem Autounfall getötet. Der Fahrer begeht Fahrerflucht, das Ermittlerteam beginnt die Suche nach dem Täter. Nach dem Unfall flieht Jenna in ein kleines Cottage in Wales. Dort fühlt sie sich vor ihren Verfolgern sicher. Aber die Vergangenheit, holt sie gnadenlos ein...
Der Roman ist ausgezeichnet konstruiert, der Leser wird gekonnt in die Irre geführt. Unvorhersehbare Wendungen machen die Story ungemein abwechslungsreich und packend. Auf sprachlich hohem Niveau werden die Charaktere und ihre Beweggründe glaubhaft geschildert.
Ein intelligenter Thriller mit einem ernsten Hintergrund, der den Leser noch lange danach beschäftigt.

Lafcadio Hearn, "Chita"
ISBN: 978-3-99027-068-4, Verlag Jung und Jung, 136 Seiten, 17,90 Euro
Ein wieder entdecktes literarisches Kleinod!
Nie wurde in der Literatur ein Tropensturm mit seiner alles zerstörenden Kraft in allen Einzelheiten so machtvoll und dramtisch geschildert. Allein diese 35 Seiten machen das schmale Büchlein
schon zu einem grandiosen Leseerlebnis.
Dabei geht es in Hearns Roman um weit mehr. Es geht um das Findelkind Chita, das der Fischer Feliu aus den Armen seiner im Orkan ertrunkenen Mutter vor dem sicheren Tod rettet. Zusammen mit seiner Frau kümmert er sich liebevoll um das kleine Mädchen, das von nun an unter einfachen Bedingungen bei der Fischerfamilie aufwächst, bis der Vater aus der großen Stadt es nach Jahren zufällig wiederfindet...
Lafcadio Hearn lebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war lange Zeit nur wenigen Kennern ein Begriff. Er schrieb Chita im Jahr 1889, das jetzt in Deutscher Erstauflage erschienen ist. Ein Meisterwerk. Man kann einfach nicht genug davon bekommen!

Kai Weyand, "Applaus für Bronikowski"
ISBN: 978-3-8353-1604-1, Wallstein Verlag, 188 Seiten, 19,90 Euro
Mit 13 Jahren erfährt Nies, dass seine Eltern nach Kanada auswandern, allerdings ohne die beiden Söhne. Der bereits volljährige Bruder soll sich nun um ihn kümmern - das ist der Plan der Erwachsenen. Nies muss die Entscheidung seiner Eltern akzeptieren, allerdings müssen sie auch akzeptieren, dass er sich ab jetzt NC (=No Canadian) nennt und sich über das Leben seine ganz eigene Gedanken macht. Mit über 30 findet er – als er sich wieder einmal durch die Stadt treiben lässt – einen Job in einem Bestattungsunternehmen – ein Job der besonderes Einfühlungsvermögen und Kreativität fordert. Nur leider überspannt NC wieder einmal den Bogen...
Ein herrlich absurdes, warmherziges kleines Buch!

Julian Barnes, "Lebensstufen"
ISBN: 978-3-462-04727-1, Kiepenheuer & Witsch, 144 Seiten, 16,99 Euro
Ein leises, ehrliches Buch über Liebe und Leid. Über zwei Dinge, die sich verbinden und die wieder zerreißen.
"Lebensstufen" besteht aus drei Kapiteln. Im ersten widmet sich Julian Barnes den Höhen. Er erzählt von den Anfängen des Ballonfahrens und der Fotografie im 19. Jahrhundert. Dabei greift er einige eigenwillige Abenteurer dieser Zeit heraus und entwickelt eine feine Beziehung zwischen ihnen. Das zweite Kapitel spielt in der Horizontalen und thematisiert die kurze aber heftige Beziehung zwischen dem britischen Offizier und Ballonfahrer Fred Burnaby und der damals berühmten französischen Schauspielerin, Sarah Bernhardt. Das dritte Kapitel schließlich widmet sich ganz den Tiefen. Julian Barnes nimmt darin Bezug auf sein eigenes Leben mit seiner an Krebs verstorbenen Frau Pat, der er dieses Buch gewidmet hat.
Seine persönlichen Erfahrungen und Gedanken im Umgang mit Tod, Trauer, Leid und dem Willen weiterzuleben, immer wieder geschickt verlinkt mit den beiden anderen Kapiteln, macht "Lebensstufen" zu einem sehr wertvollen und intimen Leseerlebnis.

Jan Brokken, "Die Vergeltung - Rhoon 1944"
ISBN: 978-3-462-04725-7, Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten, 19,99 Euro
"Die Vergeltung" ist ein literarisches Sachbuch erster Klasse.
Jan Brokken schildert die dramatischen Vorfälle, die sich in dem kleinen holländischen Dorf Rhoon während der Deutschen Besatzung im Oktober 1944 ereigneten. Auf der Basis unzähliger Recherchen
gelingt dem Autor unter Einbeziehung hunderter Interviews die minutiöse Rekonstruktion einer Nazi-Vergeltungsaktion an der einheimischen Bevölkerung. 7 Bewohner Rhoons wurden damals
willkürlich liquidiert. Eine Tat, die bis heute nachwirkt und die Bewohner Rhoons bis heute spaltet.
Sehr spannende Aufarbeitung der Nazi-Greueltaten am Beispiel eines kleinen Dorfes südlich von Rotterdam.

Doris Knecht, „Wald“
ISBN 978-3-87134-769-6, rowohlt Berlin, 272 Seiten, 19,95 Euro
Eine Frau allein in einem abgelegenen Haus in den Voralpen.
Marian, eine erfolgreiche Modedesignerin, hat durch die Wirtschaftskrise und eigene Fehler alles verloren. Sie zieht sich aus ihrem Leben in der Stadt in das einsam im Wald gelegene Haus ihrer verstorbenen Tante zurück. Sie muss lernen, mit Hunger, Kälte und Einsamkeit zurechtzukommen und sich in ihrem neuen Leben zu behaupten. Da ist unter anderem auch Franz, der Großgrundbesitzer, der sie mit dem Nötigsten versorgt. Jedoch nicht uneigennützig.
Beim Lesen schleicht sich manchmal ein leichtes Unbehagen ein......Sehr fesselnd erzählt.
Ein Leckerbissen für alle, denen „Die Wand“ von Marlen Haushofer aus dem Jahr 1963, einem breiteren Publikum bekannt in der preisgekrönten Verfilmung mit Martina Gedeck, gefallen hat.

Cynan Jones, „Graben“
ISBN 978-3-95438-039-8, Liebeskind, 176 Seiten, 16,90 Euro
Eine preisgekrönte Parabel über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse.
Der eine Mann, Daniel versucht nach dem Tod seiner Frau und unter ungeheuren Strapazen, sich selbst und seine Farm vor dem Untergang zu bewahren.
Der andere Mann, namenlos und brutal, fängt
illegal Tiere und verkauft sie an Veranstalter von Hunde-Wettkämpfen. Die Polizei setzt sich auf seine Fährte, der Jäger wird zum Gejagten...und es kommt zum Kampf zwischen den beiden ungleichen Männern.
Erdig und drastisch durch die vielen detaillierten zeitlupenhaften Schilderungen. Wenn man die Grundgesetze der Tierwelt akzeptiert und den Menschen als Teil von ihr versteht, ist „Graben“ eine einzigartige Geschichte voll dunkler Poesie.

Jami Attenberg, „Die Middlesteins“
ISBN: 978-3-89561-202-2, Schöffling & Co., 264 Seiten, 21,95 Euro
Einfühlsam, zärtlich und voller Humor führt dieser Roman durch das Minenfeld Familie.
Für Edie, eine erfolgreiche Anwältin Anfang 60, ist Essen eine Obsession. Sie ist deswegen geplagt von Herzproblemen
und Diabetes. Ihr Mann Richard erträgt die Situation nicht mehr und trennt sich von seiner Frau. Ihre Tochter Robin, die Alkoholprobleme hat, ihr Sohn, der abends gerne einen Joint raucht und dessen kontrollsüchtige Frau Rachelle mit den pubertierenden Kindern wollen Edies Leben retten. Doch Edie ist das alles egal und sie isst unbeirrt weiter....
Manchmal möchte man eines der Familienmitglieder in den Arm nehmen.
Eine tragikomische und wunderbare Erzählung.

Rosa Ribas & Sabine Hofmann, „Das
Flüstern der Stadt“
ISBN 978-3-463-40354-0, Kindler, 512 Seiten, 19,95 Euro
Barcelona zu Beginn der 50er Jahre. Es ist die Zeit der Franco Diktatur, eine düstere Zeit voller Misstrauen, Angst und Unterdrückung.
Die junge Journalistin Ana soll über einen Mordfall in der High Society Barcelonas berichten. Polizei und Staatsanwaltschaft behindern die Berichterstattung massiv, Vetternwirtschaft und Korruption sind allgegenwärtig.
Ana lehnt sich dagegen auf und ermittelt auf eigene Faust. Bald schon ist ihr Leben in Gefahr. Zusammen mit ihrer literarisch versierten Tante und einem jungen Anwalt bringt sie mit Hilfe der Sprache schrittweise die Wahrheit ans Licht.
Ein kluger Kriminalroman nicht nur für Freunde der Sprachwissenschaften, der die schwierigen Lebensverhältnisse während der Diktatur atmosphärisch glaubhaft schildert.

Christoffer Carlsson, „Der Turm der toten Seelen“
ISBN: 978-3-570-10232-9, Bertelsmann Verlag, 352 Seiten, 14,99 Euro
Gut gemachter Kriminalroman.
Leo Junker ist als Polizist vorübergehend vom Dienst suspendiert, nachdem er versehentlich einen Kollegen erschossen hat. Mitten in dieser schwierigen Lebensphase geschieht in seinem Wohnhaus ein Mord. Leo glaubt nicht an einen Zufall und beginnt auf
eigene Faust zu ermitteln. Er findet Indizien, die ihn an seine eigene gewalttätige
Jugend und an das tragische Ende seiner ersten Liebe erinnern. Leo weiß, dass ihn
die Klärung dieses Falls tief in seine Vergangenheit führen wird. Er muss John
Grimberg finden, seinen besten Freund, der später zu seinem schlimmsten Feind
wurde. Ein Feind, der nur auf eine Gelegenheit wartet, sich an ihm zu rächen.
Düster. Spannend. Schwedisch.

Steven Uhly, „Königreich der Dämmerung“
ISBN 978-3-905951-41-7, Secession Verlag, 661 Seiten, 29,95 Euro
Ein großer Roman über das Ende des 2. Weltkriegs und über die Zeit danach.
Es ist eine Geschichte, in der mehrere Generationen zu einem komplexen familiären Netzwerk verwoben sind.
Beginnend mit einer typischen Täter-Opfer-Konstellation zwischen der Jüdin Ana und einem Obersturmbannführer löst der Autor in den Folgegenerationen die früheren Fronten immer weiter auf. Verpackt in dieses Familienepos schildert Steven Uhly die Phase unmittelbar nach Kriegsende: Rückkehr der Kriegsgefangenen, Entnazifizierung, Wiederaufbau, die Anfänge Israels und die Jahrzehnte dauernde Rückkehr zu Normalität.
Das macht den Roman so wertvoll und unbedingt lesenswert.

Hannah Kent, "Das Seelenhaus"
ISBN 978-3-426-19978-7, Droemer Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro
Island im Jahre 1828.
Die seit ihrer frühen Kindheit verwaiste Magd Agnes ist wegen Mordes zum Tode verurteilt. Sie verbringt die letzten Monate vor ihrer Hinrichtung in Gefangenschaft bei einer Familie auf einem Bauernhof.
Einem ihr zur Seite gestellten jungen Pfarrvikar öffnet sie sich zögernd und erzählt in langen Gesprächen ihr Leben und den Tathergang.
Ihre Schilderungen wirken ungeschönt realistisch. So wie die Lebensbedingungen zur damaligen Zeit auf der kargen Vulkaninsel.
Die Geschichte beruht auf Tatsachen. Agnes war die letzte in Island zum Tode verurteilte Person. Die Autorin hat intensiv in Archiven recherchiert.
Eine sehr gute und spannende Erzählung. Ideale Lektüre für Fans von "Ewigkeitsfjord" von Kim Leine oder "Wildauge" von Katja Kettu.

Dragana Oberst, "Jenseits der weißen Linie"
ISBN 978-3-940666-53-6, A1 Verlag, 112 Seiten, 16,80 Euro
Ein schmales Büchlein, aber welch eine Wucht!
Beginnend im Belgrad der 60er Jahre erzählt Dragana Oberst in ihrem autobiographischen Roman von Entbehrungen, die kaum vorstellbar sind. Eine Mutter, die ihre Kinder einfach in der Großstadt allein zurücklässt, um sich nach Deutschland durchzuschlagen und dort Geld zu verdienen.
Geld um die Kinder überhaupt ernähren zu können. Der Vater war eines Tages einfach verschwunden, und keiner wollte dem Mädchen sagen, weshalb. Schließlich wird sie sogar vom Bruder getrennt und kommt zu ihrer Großmutter aufs Land. Das tägliche Überleben ist eine Herausforderung, aber Oma Dara gibt dem ernsten Mädchen all ihre Liebe und Zuneigung.
Dragana Oberst schildert das mit einer so intensiven Wärme, dass das ärmliche Leben der beiden als fast glücklich beschrieben werden könnte. Als Dragana alt genug ist, nach Deutschland zu reisen, muss sie wieder ganz von vorne anfangen. Aber auch das schafft sie mit ihrer positiven Einstellung. Welch eine starke Frau!

Mark Billingham, "Die Lügen der Anderen"
ISBN: 978-3-8553-5054-4, Atrium Verlag, 416 Seiten, 19,99 Euro
Der Top Seller aus England jetzt auch bei uns in Deutscher Sprache.
Drei Englische Pärchen lernen sich zufällig im Urlaub in Florida kennen und freunden sich an. Ein perfekter Urlaub für alle Beteiligten, wäre da nicht ein schockierender Entführungs- und Mordfall im Hotel der sechs.
Zurück in der kühlen britischen Heimat verabreden sich die 3 Paare zu Dinnerparties, um das Urlaubsfeeling zu verlängern und um über die dramatischen Ereignisse zu reden. Es geht reihum, jedes Paar wird Gastgeber. Es gibt Ungereimtheiten, Lügen und erste Verdachtsmomente....die Urlaubsstimmung kippt.
Klug inszenierter Krimi, dramaturgisch geschickt und nicht vorhersehbar aufgebaut wie ein Kammerspiel. Ganz im Stil von "Der Gott des Gemetzels", einfach gnadenlos.

Joakim Zander, "Der Schwimmer"
ISBN: 978-3-499-26887-8, rowohlt Verlag, 432 Seiten, 14,99 Euro
Ein hochaktueller Thriller, der Spannung garantiert.
Joakim Zander gelingt es mit seinem ungewöhnlichen Debüt den Bogen zu schlagen vom alltäglichen Terror in Damaskus über das Haifischbecken der EU in Brüssel in die idyllische Schwedische Schärenlandschaft.
Es ist die Geschichte von Klara, einer Schwedischen Referentin am EU-Parlament und ihres namenlosen Vaters, eines Amerikanischen Agenten mit Syrischen Wurzeln. Klara gerät mitten hinein in einen Krieg, der offiziell nicht stattfindet und der vom US-Geheimdienst unter allen Umständen geheim gehalten werden soll. Koste es, was und wen es wolle. Es ist ein erschreckend kurzer Weg für Klara und ihre Mitstreiter, Gabrielle und George, vom karrieregetriebenen Durchschnittsmenschen zum gesetzlosen Freiwild.
Explosiv!

Katja Kettu, "Wildauge"
ISBN 978-3-86971-082-2, Galiani Verlag, 416 Seiten, 19,99 Euro
Finnland ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2014. Mit "Wildauge" präsentiert sich dieses rauhe nordische Land mit einem großen Roman.
Wildauge ist eine samische Hebamme in einem Nazi-Lager in Lappland gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Im heftig umkämpften Grenzgebiet zwischen Russland, Norwegen und Finnland und in der menschenfeindlichen harten Welt der Tundra lernt sie den jungen deutschen SS-Offizier Johannes kennen und lieben. Bedingungslos. Eine Liebe, die allen widrigen Umständen zum Trotz unzerstörbar ist...
Ein sehr intensiver Roman mit düster erotischen Passagen und drastischen Schilderungen der brutalen Lebensbedingungen am Ende des 2. Weltkriegs. Sprachlich brilliant und urwüchsig.
Wem der große Grönland-Roman, "Ewigkeitsfjord" von Kim Leine gefallen hat, dem sei "Wildauge" wärmstens empfohlen.

Nic Pizzolatto, "Galveston"
ISBN 978-3-8439-0097-5, Walde+Graf bei Metrolit, 254 Seiten, 20,- Euro
Nic Pizzolatto - den Namen sollte man sich merken. Jedenfalls wenn man gerne Thriller mit hohem Niveau liest und sich von drastisch geschilderten Gewaltszenen nicht abschrecken läßt.
Roy ist ein Killer. Er erledigt die unangenehmen Jobs für seinen Boss irgendwo im Süden der USA zwischen New Orleans und Galveston. Eines Tages gerät er in einen Hinterhalt und entkommt knapp. Auf der Flucht beginnt er sein bisheriges Leben zu hinterfragen und versucht mit der jungen Rocky einen Neuanfang ganz ohne Kriminalität. Aber seine Vergangenheit holt ihn ein, gnadenlos...
Galveston steht für Hochspannung bis zum Schluss und tiefe authentische Einblicke in die US Südstaatenseele.

Stefan aus dem Siepen, "Die Entzifferung der Schmetterlinge
ISBN 978-3-423-14208-3, dtv, 224 Seiten, 9,90 Euro
Peter Nuten ist kein Macher. Aber er denkt viel über die Dinge nach – sehr viel.
Eine Entscheidung zu fällen, fällt ihm aber trotzdem schwer. So lässt er sich in seinem Leben treiben. Das Schicksal findet immer ein Plätzchen für ihn, an dem er sich zurechtfindet. Nach einer Kindheit mit Eltern, die immer damit beschäftigt waren, ihre Pflicht zu erledigen, wird er Student der Alten Sprachen, dann Sachbearbeiter bei einer Versicherung. Anschließend kellnert er als Unikum in einem Münchener Szenecafe, bis er schließlich immer mehr eintaucht in das Entziffern der Schmetterlinge und sich darin zu verlieren scheint.
Siepen erzählt in dem für ihn typischen, lakonischen Stil sehr heiter vom Leben dieses Eigenbrötlers.

Voosen/Danielsson, "Aus eisiger Tiefe"
ISBN: 978-3-462-04694-6, kiwi Verlag, 452 Seiten, 9,99 Euro
Der dritte Fall für das Schwedische Ermittlerduo, Ingrid Nyström und Stina Forss.
Ein Fall, der die beiden und ihr Team ermittlungstechnisch aber auch persönlich an ihre Grenzen führt, direkt zu dem politisch brisanten und immer noch ungelösten Fährunglück der "Estonia" vor rund 20 Jahren. Für den Leser höchst interessant sind die verschiedenen Verschwörungstheorien, die die Autoren geschickt in ihren Thriller einbauen.
Nach "Später Frost" und "Rotwild" der dritte Krimi der beiden Autoren Roman Voosen und Kerstin Daniellson.
Und unserer Meinung nach der bisher beste.

Arto Paasilinna, "Im Jenseits ist die Hölle los"
ISBN: 978-3-4041-7073-9, Bastei-Lübbe., 220 Seiten, 8,99 Euro
Finnland ist Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse.
Einer der meist gelesenen Finnischen Autoren ist zweifellos Arto Paasilinna.
In seinem Roman erzählt er die Erlebnisse eines Journalisten, der aus
heiterem Himmel bei einem Autounfall ums Leben kommt. Seine Überraschung ist groß, als er feststellt, dass er als Geist "weiterlebt". Er besucht sein eigenes Begräbnis, trifft andere Tote,
mit denen er sich über das Leben und das Leben danach austauscht.
Skurrile Finnische Unterhaltung, leichte Kost für Zwischendurch.

Robert Seethaler, "Der Trafikant"
ISBN: 978-3-0369-5909-2, kein & aber pocket., 250 Seiten, 9,90 Euro
Es ist die Zeit der Nationalsozialisten. Kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs tritt der junge Franz eine Stelle als Hilfstrafikant in Wien an. Auf seine unbekümmert naive Art verliebt er sich in Anezka und freundet sich mit dem großen Professor Sigmund Freud an. Um sich herum geschehen schlimme Dinge, die er nicht richtig einordnen kann. Die gesellschaftspolitischen Verhältnisse spitzen sich dramatisch zu und er wird vom Strudel der Ereignisse mitgerissen.
"Wer nichts weiß, hat keine Sorgen....es ist praktisch unmöglich, das einmal Gewusste wieder zu vergessen."
Eine kleine Kostbarkeit, meisterhaft erzählt.

Karen Perry, "Bittere Lügen"
ISBN 978-3-651-00066-7, Fischer Scherz Verlag, 400 Seiten, 14,99 Euro
Das in Dublin lebende Autorenduo Karen Gillece und Paul Perry legt mit "Bittere Lügen" seinen atemlosen Erstling vor.
In Tanger bebt die Erde, Harry und Robin verlieren dabei ihren geliebten 3jährigen Sohn Dillan. Jahre später erkennt Harry den totgeglaubten Dillan auf offener Straße in Dublin wieder. Von diesem Zeitpunkt an gibt es für Harry nur noch ein Ziel: er muss Dillan wiederfinden und die ganze bittere Wahrheit ans Licht bringen - koste es, was es wolle.
Hintergründige Psychospannung aus Irland, ein toller Urlaubsschmöker.

Jean-Luc Seigle, "Der Gedanke an das Glück und an das Ende""
ISBN 978-3-406-66755-8, C.H.Beck Verlag, 224 Seiten, 18,95 Euro
Ein heißer Sommer im Jahre 1961. Ein kleines Dorf in der Nähe von Clermont-Ferrand. Ein Junge, der Balzac liest. Nachbarn und Freunde, die zusammenkommen, weil in der Familie Chassaing der erste Fernseher des Dorfes angeliefert wird. Eine Idylle?
Es sind alle da, weil heute der Erstgeborene der Familie im Fernsehen zu bewundern sein wird. Allerdings wird dieser Henri in einer Sendung über den Krieg gegen Algerien auftreten. Erste Irritationen...
Eine scheinbare Familienidylle, die sich am Ende des Tages als reiner Trugschluss entpuppen wird.
Als (unnötiges) Anhängsel empfinden wir den letzten Abschnitt: Der Balzac lesende Junge Gilles ist inzwischen 60 Jahre und Literaturprofessor und hält vor seinen Studenten einen sehr persönlichen Vortrag über die Schmach an der Maginotlinie 1940.
Diese Vorlesung wäre – unserer Meinung nach – nicht notwendig gewesen, um die Auslöser für die dramatischen Ereignisse im Sommer 1961 besser zu erahnen.
Aber abgesehen davon - absolut lesenswert!

Juan Gabriel Vàsquez, Das Geräusch der Dinge beim Fallen"
ISBN: 978-3-89561-008-0, Schöffling&Co., 293 Seiten, 22,95 Euro
Kolumbien zur Zeit Escobars‘, des berüchtigten und vielleicht mächtigsten Drogenbarons der 80er Jahre. Der junge Professor Antonio Yammara lernt beim Billiardspielen den unscheinbaren Ricardo Laverde kennen. Bevor er sich mit ihm näher anfreunden kann, werden die beiden Opfer eines Attentats. Antonio überlebt schwer verletzt und macht sich auf die Suche nach den Hintergründen für diesen Anschlag. Ein Weg, der ihn tief zurück in die 70er Jahre führt, in die Anfänge eines brutalen und mörderischen Drogenkriegs.
Ein spannender, packend erzählter Thriller über ein nach wie vor aktuelles Stück südamerikanischer Zeitgeschichte.

Renate Schmidt, "Santiagos Wege"
ISBN 978-3-87214-541-3, Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, 185 Seiten, 15.- Euro
Mit 15 zieht Santiago in den nicaraguanischen Bürgerkrieg. Mit dem Sold will er den Lebensunterhalt seiner Familie sichern. Doch auch nach dem Krieg kämpft er ums Überleben. Um seine Familie zu versorgen, geht er für 9 Jahre illegal nach Costa Rica. Schließlich wagt er die verbotene Reise ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten...
Eine eindringliche Schilderung der Lebensgeschichte Santiagos, ein beklemmender Tatsachenbericht, der lange nachhallt.

Stefan aus dem Siepen, "Der Riese"
ISBN: 978-3-423-26025-1, dtv Premium Verlag, 200 Seiten, 14,90 Euro
Tilman wächst und wächst. Mit 17 misst er 2,39m und ist der größte Mann Deutschlands. Die Ärzte können sein Wachstum nicht stoppen. Er verliert seine Freundin und seinen Beruf, wird "Tilman der Riese". Aber er wächst auch innerlich, liest, spielt Klavier. Schließlich droht das Wachstum seine Kräfte zu überfordern...
Eine berührende Parabel, eine kompakte, stilistisch ausgefeilte Geschichte. Ein würdiger Nachfolger des großen Debüt-Erfolges von Stefan aus dem Siepen, "Das Seil".

Marjana Gaponenko, "Wer ist Martha"
ISBN: 978-3-518-42315-8, Suhrkamp Verlag, 237 Seiten, 19,95 Euro
Sein Lebensende will der 96jährige Luka Lewadski im Wiener Nobelhotel Imperial verbringen. An der Hotelbar trifft er auf einen gleichaltrigen Gleichgesinnten. Die beiden Alten freunden sich an und amüsieren sich so gut, dass kaum noch Zeit zum Sterben ist.
Ein wunderbarer Roman. Es geht um die Freude am Dasein, die Würde des Menschen, die Liebe zur Schöpfung. Die Autorin behandelt diese Themen auf ihre eigene Art phantastisch und originell, lebendig und frech.

Christoph Poschenrieder, "Das Sandkorn"
ISBN: 978-3-257-06886-3, Diogenes Verlag, 416 Seiten, 22,90 Euro
Christoph Poschenrieder ist mit "Das Sandkorn" wieder ein literarisch und historisch bemerkenswerter Roman gelungen.
Der Historiker Jacob Tolmeyn erforscht in Süditalien Ruinen aus der Zeit des Stauferkaisers Federico Segundo. Der Beginn des Ersten Weltkriegs treibt ihn nach Berlin zurück, wo er mitgebrachten
Sand aus Süditalien auf den Straßen ausstreut. In Zeiten des Kriegs ist solch ein Verhalten nicht nur seltsam, sondern verdächtig. Der Kommissar, der den kuriosen Fall übernimmt, stößt unter dem
Sand auf eine Geschichte von Liebe und Tabu zwischen zwei Männern und einer Frau. Ein Zeitbild von 1914, aus drei ungewöhnlichen Perspektiven.
Sprachlich brilliant erzählt.

William Shaw, "Abbey Road Murder Song"
ISBN: 978-3-518-46475-5, Suhrkamp Nova, 475 Seiten, 14,99 Euro
London Ende der 60er Jahre, die Beatles haben Hochkonjunktur.
In der Nähe der Abbey Road Studios geschieht ein Mord an einer jungen Frau. Das Ermittler-Duo Detective Breen und seine Assistentin Tozer gehen mit recht unkonventionellen Methoden auf Mörderjagd. Eine Jagd, die sie in die Fangemeinde der Famous Fab führt und nach Devon.
Der Kriminalroman hat alles, was gute Unterhaltung braucht. Er ist spannend bis zum Schluss und leicht zu lesen und natürlich knistert es auch zwischen den beiden Detectives. Besonderen Charme bekommt der Krimi durch die Zeit, in der er angesiedelt ist. Der Leser begibt sich auf eine wundervolle Zeitreise durch Swinging London mit seinen Hippies und der allgegenwärtigen Beatmusik.
Idealer Lesestoff für den Strand.

Andrzej Bart, "Knochenpalast"
ISBN: 978-3-89561-296-1, Schöffling & Co., 192 Seiten, 18,95 Euro
Der Roman von Andrzej Bart gewährt höchst amüsante Einblicke in die polnische Seele. Aber damit nicht genug!
Knochenpalast erzählt das Leben der jungen Lektorin Sabina in Warschau kurz nach dem Krieg und ihr Zusammenleben mit Oma, Mama und ihrem Bruder in ihrer gemeinsamen Wohnung.
Wäre da nicht die Staatssicherheit mit ihren perfiden Methoden, würde Knochenpalast als liebevoll geschilderte Milieustudie durchgehen. So entwickelt sich der Roman jedoch zu einer raffinierten Kriminalkomödie mit viel schwarzem Humor.
Rasant und rabenschwarz!

Sascha Arango, "Die Wahrheit und andere Lügen“
ISBN: 978-3-570-10146-9, C. Bertelsmann, 304 Seiten, 19,99 Euro
Wow! Was für eine Geschichte!
Henry - charmant, gutaussehend, passionierter Koch, begeisterter Handwerker, erfolgreicher Schriftsteller – lässt uns tief hineinblicken in seine dunkle Seele. Und da tun sich Abgründe auf! Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, alles ist und kommt ganz anders. Henry scheint das perfekte Verbrechen gelungen zu sein...und wir Leser? Irgendwie bringen wir ja doch Verständnis und vielleicht sogar Mitleid für Henry auf, oder?
Ein psychologischer Spannungsroman der Extraklasse.

Paola Soriga, "Wo Rom aufhört“
ISBN 978-3-8031-3258-1, Wagenbach Verlag, 160 Seiten, 14,90 Euro
Ida folgt ihrer Schwester nach Rom und findet dort alles aufregend und neu. Kein Wunder, wenn man als junges Mädchen ein kleines Dorf in Sardinien verlässt und sich aufmacht in die Großstadt. Doch schon bald ändert sich durch den zweiten Weltkrieg das Miteinander in dieser Stadt, und Ida hat das dringende Bedürfnis, Position zu beziehen. Sie übernimmt Botengänge für die Partisanen. Doch kurz vor Kriegsende, in den Tagen als die Menschen auf die Ankunft der Amerikaner warten, muss Ida untertauchen. Sie versteckt sich in einer feuchten, dunklen Erdhöhle. Und dort kommen sie hoch – die Erinnerungen an ihre sardische Kindheit, an ihre erste glückliche Zeit in Rom, an das erste Verliebtsein, an die Freundin, die plötzlich verschwand. Wünsche und Träume für die Zukunft bestimmen ihr Leben unter der Erde und als sie endlich aus ihrem Loch kriechen kann, muss sie erfahren, dass trotz Kriegsende der Kampf noch nicht vorbei ist.
Ein ausdrucksstarker Roman einer jungen sardischen Schriftstellerin!

Sandro Veronesi, "Die Berührten“
ISBN: 978-3-608-93993-4, Klett-Cotta, 384 Seiten, 21,95 Euro
Sandro Veronesi ist einer der bedeutendsten italienischen Schriftsteller unserer Zeit. Das hat er spätestens mit seinem letzten Roman, "XY" bewiesen.
Sein neuestes Werk, "Die Berührten" strotzt vor sprachlicher Eleganz und Kreativität.
Dabei beschreibt Veronesi nichts anderes als den Alltag von Mète, einem jugendlichen Müßiggänger in Rom. Der Roman kommt praktisch ohne Handlung und ohne Effekthascherei aus, um seine Leser in Mètes' chaotische Erlebnis- und Gefühlswelt zu saugen...Dolce Vita 2.0!

Jean-Michel Guenassia, "Der Club der unverbesserlichen Optimisten“
ISBN: 978-3-458-35836-7, Suhrkamp/Insel, 685 Seiten, 9,99 Euro
Es gibt Bücher, von denen immer wieder jemand schwärmt, Bücher, die jahrelang auf dem Nachtkästchen liegen, auf die man sich freut, aber man findet nicht den Anfang.... Schade, denn diesen Roman – mal angefangen – kann man nicht mehr aus der Hand legen. Vor allem den "Club der unverbesserlichen Optimisten" im Paris der 60er und 70er Jahre mit all seinen gestrandeten Existenzen aus Osteuropa wird unvergesslich bleiben. Ein und aus in diesem Club geht auch der 12jährige Franzose Michel, der für die Schule keinerlei Begeisterung aufbringen kann, dafür aber um so mehr für Rock'n Roll, Literatur, Fotografie und Kino. Er taucht ein in das Paris Sartres und Camus', aber auch in ein Paris, das sich bei der Algerienfrage nicht einig ist. Seine eigene Familie wird in dieser Sache vor eine Zerreissprobe gestellt.
Ein wunderbarer literarischer Schmöker mit Paris-flair!

Colum McCann, „Transatlantik“
ISBN 978-3-498-04522-7, rowohlt, 384 Seiten, 22,95 Euro
Schon bei seinen Romanen "Der Tänzer" und "Zoli" tauchte ich sofort ab in die Geschichte. Und bei dem neuen Roman des Iren McCann ging es mir wieder so!
Diesmal fängt er mit der spannenden Schilderung des ersten Nonstopfluges über den Atlantik an. 1919 gelang dieses Pionierstück zwei Briten. Kurz vor ihrem Abflug aus Neufundland steckte dem einen der Piloten eine junge Fotografin einen Brief zu. Und anhand dieses Briefes erleben wir irische Geschichte: 1845 bereiste der Afroamerikaner Douglass Irland um für seine Sache – die Befreiung der Sklaven – zu werben. Dabei wurde er in Irland herumgereicht und lernte so den einen oder anderen irischen Haushalt kennen. Er bewegte mit seinen Reden und seinem Kampf um Freiheit und Gleichheit ein junges Hausmädchen, ihr Heimatland zu verlassen und mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Amerika auszuwandern. Diese junge Irin schaffte den Aufstieg. Jahrzehnte später heiratete dann eine ihrer Familiennachkommen einen Iren und kehrte in das Land ihrer Vorfahren zurück – den Brief immer dabei (ungeöffnet!). Der Kreis schließt sich dann Ende des 20 Jahrhunderts, als 1998 der US-Senator George Mitchell in Belfast an den nordirischen Friedensgesprächen teilnahm. So wie der Autor selbst, der in New York lebt, aber auch viel Zeit in Irland bei seinen Eltern verbringt, reisen wir Leser zwischen den Kontinenten hin und her und erleben Geschichte hautnah mit.
Toll!

Isabel Kranz, „Sprechende Blumen - ein ABC der Pflanzensprache“
Mit Krähen und den Bergen Kaliforniens fing es an, dann ging es u.a. mit Äpfeln und Birnen, Eseln und dem Hering weiter. Und nun: Sprechende Blumen. Alle diese Titel haben eins gemeinsam: sie erscheinen unter der liebevollen Obhut von Judith Schalansky in der Naturkunden-Reihe des Verlags, Matthes & Seitz. Und da Judith Schalansky nicht nur eine besondere Schriftstellerin ist, sondern auch eine preisgekrönte Buchgestalterin, ist auch der neue Band über das ABC der Pflanzensprache ein Kleinod. Mit Hilfe von Klassikern der Weltliteratur, botanischen Traktaten aber auch Sketchen aus Filmen wie Monty Python und wunderbaren Illustrationen wird der Leser dazu verführt, die Sprache einzelner Blumen (auch nicht zu vergessen: Eis-, Papierblumen und die Amerikanische Geisterorchidee) zu entschlüsseln. Ein geistreiches und bereicherndes Unterfangen! Für alle Liebhaber des gedruckten und typografisch gestalteten Buches.

Edgar Rai, „Die Gottespartitur“
Jedes Jahr dasselbe langweilige Einerlei auf der Frankfurter Buchmesse.... Der erfolgreiche Literaturagent Gabriel Pfeiffer ist schon zu lange dabei, als dass ihn die Jagd nach zukünftigen Bestsellern noch reizen könnte. Auch ein geheimnisvolles Manuskript mit dem Titel ”Es geht um Gott!“, das ein schüchterner junger Seminarist anbieten will, kann ihn nicht packen. Doch als der junge Mann 2 Tage später tot in einer bayerischen Dorfkirche aufgefunden wird, fängt Gabriel doch an zu recherchieren. Der überzeugte Atheist folgt den mystisch tödlichen Spuren der Gottespartitur.
Ein Buch mit Spannung und Witz!

Francois Garde, „Was mit dem weißen Wilden geschah“
ISBN 978-3-40666-304-8, C.H.Beck, 318 Seiten, 19,95 Euro
Ein Abenteuerroman in der klassischen Tradition des 19. Jahrhunderts, basierend auf einer wahren Geschichte.
Der junge Matrose Narcisse strandet an einer abgelegenen Bucht Austrailiens. Völlig alleine und hilflos findet er Anschluss an einen Stamm der Ureinwohner und verbringt 18 Jahre unter Wilden, bevor er gefunden und zurück in die Zivilisation nach Frankreich gebracht wird...
Geschickt verbindet der Autor die Erzählung aus Sicht des Matrosen mit Briefen, die sein "Retter" an den Präsidenten einer Französischen Wissenschaftsgesellschaft verfasst.
Ein in Frankreich mehrfach ausgezeichneter Roman. Packende Geschichte, schöne Sprache.

Jan Costin Wagner, „Tage des letzten Schnees“
ISBN 978-3-86971-017-4, Verlag Galiani Berlin, 320 Seiten, 19,99 Euro
Jan Costin Wagner verbindet eine tiefe Zuneigung zu Finnland. So spielt auch sein Roman „Tage des letzten Schnees“ in diesem Anfang Mai noch schneereichen Land.
Es geht vor allem um Verlust: Ein Architekt verliert seine Tochter. Ein Schüler hat den Anschluss an seine Mitmenschen verpasst und bereitet einen Amoklauf vor. Ein Investmentbanker hat bei all seinen Spekulationen den Bezug zur Realität und seiner Familie verloren und führt nun ein Doppelleben. Eine junge Frau hat ihr Heimatdorf in Osteuropa verlassen und ist auf der Suche nach einem glücklichen Leben. Und nicht zu vergessen - der finnische Ermittler Kimmo Joentaa, dessen Frau vor Jahren an Krebs gestorben ist. Inzwischen hat er eine verwandte Seele gefunden, diese ist aber mehr abwesend als anwesend. An einem bestimmten Punkt kreuzen sich die Lebenswege aller.
Trotz großer Melancholie ist zu spüren, dass auch immer wieder menschliche Nähe möglich ist.
Ein höchst atmosphärischer und spannender Roman.

Anthony McCarten, „funny girl“
ISBN 978-3-257-86240-9, Diogenes, 384 Seiten, 21,90 Euro
Azime, in England aufgewachsene Tochter kurdischer Einwanderer hat einen Traum: Sie will Comedian werden. Soweit die schlechte Nachricht für ihre Eltern. Die gute: Sie wird eine Burka tragen, allerdings nur auf der Bühne. In einer Zeit in der Ehrenmorde an der Tagesordnung sind, London durch Bombenterror gelähmt unter Schock steht.
Eine spannende Geschichte über Mut, Familie, Anderssein, Glück und Durchhaltevermögen erzählt Anthony McCarten in seinem neuesten Roman.
Und Azime liest unserer Gesellschaft gehörig die Leviten! Da bleibt einem schon mal das Lachen im Hals stecken...

Thomas Meyer, „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“
ISBN 978-3-257-86242-3, Diogenes, 10,90 Euro Euro
Mordechai (Abkürzung: Motti) Wolkenbruch: Anfang Zwanzig, Student in Zürich, schwarze ( leider zu kurze Hosen) , weißes Hemd , Kippa, orthodoxer Jude.
Motti soll endlich heiraten, seine Mame wünscht das. Aber leider gefallen Motti die Damen, die ihm seine Mame vorstellt nicht so gut wie seine Kommilitonin, Laura. Das Problem: Laura ist keine Jüdin. Dafür stellt sie aber Mottis Welt gehörig auf den Kopf. Und Motti beginnt nachzudenken: über sein bisheriges Leben, seinen weiteren Lebensweg. Er kommt zu ganz neuen Erkenntnissen.
Heiter, witzig und mit viel Gespür für Situationskomik. Thomas Meyers Roman war in der Schweiz ein Überraschungserfolg und wird es sicher auch bei uns.
Viel Vergnügen!

Heinrich Steinfest, „Der Allesforscher“
ISBN 978-3-492-05408-9, Piper, 400 Seiten, 19,99 Euro
Welch ein unterhaltsames und auch geistreiches Lesevergnügen, wenn man sich auf all die skurrilen Einfälle eines Heinrich Steinfest einlässt!
Sixten Braun, der sich als weit herumkommender Manager, in seinem Leben gut eingerichtet hat, wird eines Tages auf einer Geschäftsreise in Taiwan aus seinem bisherigen Leben herauskatapultiert: ein Wal, der gerade zwecks wissenschaftlicher Untersuchungen auf einem Transporter unterwegs ist, explodiert (das ist wirklich geschehen!) und eine der herausgeschleuderten Innereien befördert Sixten ins Koma. Nach 2 Tagen hat er wieder all seine Sinne beieinander und wir Leser verfolgen atemlos, welch rasante Wendungen nun sein Lebensweg für ihn bereithält.
Es kommt immer anders als man denkt… Famos!

Yasmina Reza, „Glücklich die Glücklichen“
ISBN 978-3-446-24482-5, Hanser-Verlag, 176 Seiten, 17,90 Euro
„Glücklich die Glücklichen“ – wer denkt das nicht immer wieder!
Aber wie glücklich sind die so-glücklich-Wirkenden wirklich?
Yasmina Reza, die französische Schauspielerin, Schriftstellerin und eine der meist gespielten zeitgenössischen Dramatikerinnen („Der Gott des Gemetzels“), zwingt den Leser, genau hinzusehen. Sie beschreibt anhand banaler Alltagssituationen das Leben von Journalisten, Ärzten, Schauspielern, Familienoberhäuptern, Einzelkämpfern, von Jung und Alt. Es gibt keine richtige Handlung, aber immer wieder taucht am Rande eine Person auf, in deren Leben wir bereits einen kurzen Einblick erhalten hatten und die jetzt in der Außensicht eine andere Rolle spielt.
Zitat Hanser: …ein Feuerwerk aus klugem Witz, Humor und tiefen Einsichten in unsere heutige Gesellschaft. – Dem können wir nur zustimmen.

Jamaica Kincaid, "Die Autobiographie meiner Mutter"
ISBN 3-293-20627-1, Unionsverlag Taschenbuch, 224 Seiten, 10,95 Euro
Dritter, autobiographisch gefärbter Roman der Schriftstellerin Kincaid, die 1949 auf der karibischen Insel Antigua geboren, ihre Heimat mit 17 Jahren verließ, um als Au-pair in USA zu arbeiten.
Die etwas eigenwillige und nicht unbedingt sympathische Ich -Erzählerin Xuela lässt uns an ihrem Gedankenfluss teilhaben: Ihre Mutter, die dem karibischen Volk entstammte, stirbt bei ihrer Geburt. Der Vater, Sohn eines Schotten und einer Afrikanerin, kümmert sich nicht groß um seine Tochter, greift aber immer wieder in ihr Leben ein. Es geht um Sieger und Besiegte, um das karibische Volk gegen Afrikaner und die Kolonialmächte, um Männer, die die Macht über die Frauen haben und schließlich um die Frauen, die die Macht haben, ihre Kinder nicht zur Welt zu bringen. Das Schicksal der Xuela dient als Spiegelbild für das unterdrückte karibische Volk.
Eigenwilliges Buch...

Kim Leine, "Ewigkeitsfjord"
Ein Grönland-Roman. Großartig!
Kim Leine erzählt das abenteuerliche Leben des Pfarrers Morten Falck, der Ende des 18. Jahrhunderts seine wohlgeordnete Heimat Dänemark verläßt, um voller Enthusiasmus am Ende der Welt die einheimischen Wilden zum rechten Glauben zu bekehren. Es beginnt eine vom Autor ungeschönt und sehr spannend geschilderte Zeit, der Kampf der Menschen gegen die brutale Gewalt der Natur, der Kampf mit- und gegeneinander. Nach Jahren voller Entbehrungen, Hunger, Krankheiten, Abenteuer und Tod kehrt er schließlich als anderer Mensch nach Hause zurück.
Kim Leine gelingt es in diesem Roman, das Leben und den permanten Überlebenskampf der Menschen in Grönland unter extremen Bedingungen zu schildern - zu einer Zeit ohne Heizung, Strom und TV.
Packend und intensiv. Unbedingt empfehlenswert für Leser, die sich von vielen drastisch und detailliert erzählten Szenen nicht abschrecken lassen.

Herman Koch, „Sommerhaus mit Swimmingpool“
ISBN: 978-3-462-04344-0, Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, 9,99 Euro
Marc Schlosser ist Hausarzt. Ein Hausarzt, der es nicht so genau nimmt mit seiner Berufsethik. Als einer seiner Patienten stirbt, muss er sich vor der Ärztekammer verantworten. Hat er aus Dummheit, Nachlässigkeit oder vorsätzlich gehandelt?
Der Roman beginnt als witzige Satire aus der Sicht eines Hausarztes. Beim Lesen kommt man nicht umhin, seinen eigenen Hausarzt und damit sich selbst als Patienten durch die Brille Marc Schlossers zu sehen. Höchst amüsant!
Aber dann erzählt Marc Schlosser seine Geschichte. Nach und nach wandelt er sich vom „Halbgott in Weiß“ zum Mann, zum Ehemann und Vater. Es baut sich Spannung auf um ein Verbrechen, um Täter, Opfer, Schuld und Rache. Diese Spannung wächst bis zum bitteren Ende und lässt dem Leser dabei Raum für eigene Interpretationen.
Ein kluger und kurzweiliger Roman, der keine Wünsche offen lässt.

Alain Sulzer, "Aus den Fugen"
Während eines Konzertes vor ausverkauftem Haus geschieht das Unvorstellbare: der gefeierte Starpianist hört abrupt auf zu spielen und verläßt die Bühne.
Unmittelbar betroffen von der spontanen Entscheidung des Künstlers sind einige Personen, deren Lebenssituation in diesem Roman geschildert wird. Sie alle stehen irgendwie in Verbindung mit dem Pianisten und genau wie sein Leben gerät auch ihres damit aus den Fugen.
Einfühlsam und schön erzählt. Mit hochinteressanten Einblicken in die Szene der klassischen Musik.

Jonas Lüscher, „Frühling der Barbaren“
Unerwartet und quasi über Nacht trifft die Nachricht vom Englischen Staatsbankrott eine ausgelassene britische Hochzeitsgesellschaft in einem tunesischen Luxushotel. Innerhalb kurzer Zeit schlägt die gesittete Stimmung der feiernden Jungbanker um in den nackten Kampf ums Überleben. 125 Seiten, mehr braucht die Hauptfigur Preising nicht, um einem namenlosen Zuhörer die Geschichte vom Ende der Zivilisation und vom Beginn der Barbarei im Zeitraffer zu erzählen.
Die Novelle „Frühling der Barbaren“ ist genau der richtige Stimmungsaufheller für ein tristes Wochenende. Sprachlich fein und urkomisch erzählt, mit spitzer Ironie in komplexe, aber zu keiner Zeit komplizierte Satzstrukturen verpackt, ist Jonas Lüschers humorvolles Debut absolut lesenswert.

Pete Dexter, „Paperboy“
Zwei Journalisten rollen zusammen mit Charlotte Bless, einer Frau, die sich zu verurteilten Mördern hingezogen fühlt, einen abgeschlossenen Mordfall neu auf. Sie legen Beweise vor und erreichen, dass der vermeintliche Mörder auf freien Fuß kommt.
Ihre monatelange Arbeit wird als mutiger Kampf gegen Behördenwillkür und für die Pressefreiheit gepriesen. Sie werden mit Lob und Preisen überhäuft. Doch dann stellen sich erste Zweifel ein. Die erneute Fakten-Analyse bringt einen kapitalen Fehler in ihrer Recherche ans Licht - mit weitreichenden Konsequenzen für alle Akteure.
Klasse!

Patricia Melo, „Leichendieb“
Brasilien, in der Nähe der Grenze zu Bolivien. Es ist heiß, sehr heiß. Ein Kleinflugzeug stürzt ab, der Pilot kommt ums Leben. Mit im Flugzeug ein Rucksack voller Kokain, Auslöser für die kriminelle Karriere eines bis dahin unbescholtenen Managers. Auf der Suche nach dem schnellen Geld verstrickt er sich immer weiter in einen Sumpf aus Gewalt, Drogen und Korruption. Mit tatkräftiger Unterstützung seiner Verlobten Sulamita kommt es schließlich doch noch zu einer Art Happy End.
„Leichendieb“ ist ein spannender Urwald-Thriller, er spielt in doppelter Hinsicht am Rande der Zivilisation. Eine packende Geschichte, erzählt in der dazu passenden Sprache. Ideale Urlaubslektüre.

Peter Stamm, "Nacht ist der Tag"
Gillian, eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, wacht mit zertrümmerten Gesicht im Krankenhaus auf. Langsam erinnert sie sich an das, was passiert ist: an den Streit mit ihrem Mann, an die „alkoholgetränkte“ Silvesterparty und schließlich an den Unfall. Jetzt ist sie Witwe, die Eltern können nicht in ihr kaputtes Gesicht, ja nicht einmal ihr in die Augen sehen und sie fängt an sich an den Mann zu erinnern, dessen Kunst der Anlass war für die Auseinandersetzung mit ihrem Mann.
Im zweiten Teil, der sechs Jahre später spielt, steht der Künstler Hubert vor den Trümmern seiner Ehe und flieht ins Engadin, weil er dort eine Ausstellung angeboten bekommen hat. Doch er ist am Ende mit seiner Kunst, hat keinerlei Inspiration und beim Sich-treiben-lassen in dem Bergdorf stößt er zufällig auf Gillian, die sich hier nach diversen Operationen mit dem Namen Jill als Event-Organisatorin in ein Erlebnishotel zurückgezogen hat. Hubert und Jill ringen miteinander um Kunst, um die Liebe, das Miteinander, um das Vergangene und um das mögliche Zukünftige.
Eindringlich erzählt, ein toller Stamm!

Eduardo Mendoza, "Der Friseur und die Kanzlerin"
Diesmal ein Kriminalroman der ganz besonderen Art des spanischen Bestsellerautors Mendoza. Ein fantasievolles Schelmenstück: Der namenlose Held, der einen windigen Damenfriseursalon in Barcelona betreibt, wird von einem jungen Mädchen um Hilfe gebeten. Der Schöne Romulus sei von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden und habe nur einen mysteriösen Brief hinterlassen. Der Held, der den Schönen Romulus bei einem gemeinsamen Aufenthalt in einem psychiatrischen Sanatorium traf, trommelt Freunde und Bekannte, die er von der Straße kennt, zusammen: Straßenmusikanten, Schausteller, Ex-Prostituierte, asiatische Geschäftsleute, Pizzafahrer und Yogalehrer. Auf ihrer sehr unkonventionellen Suche nach Romulus kommen sie einer Verschwörung gegen Angela Merkel, die in den nächsten Tagen die katalanische Hautstadt besuchen will, auf die Spur.
Sehr skurril!

Patrick Modiano, "Der Horizont"
Margaret und Jean - 2 Menschen bei denen man das Gefühl hat, dass sie aus der Zeit gefallen sind - treffen bei einer Demonstration in Paris aufeinander. Es beginnt eine sehr zarte, zurückhaltende Annäherung, die eines Tages so abrupt endet, wie sie begonnen hat.
Margaret, mit deutschen Wurzeln, finanziert sich mit Gelegenheitsjobs als Kindermädchen und wird von einem Mann mit pockennarbiger Haut gestalkt. Jean dagegen fühlt sich schon sein ganzes Leben von seiner Mutter und deren Lebensgefährten verfolgt. Er arbeitet in einem esoterischen Buchladen, der aber wenig Kundschaft zu haben scheint. Eines Tages ist Margaret verschwunden und erst Jahrzehnte später macht sich Jean auf die Suche, und zwar in Berlin.
Warum Margaret sich damals in Luft auflöste, und ob Jean sie finden wird, darf nicht interessieren. Es geht mehr um das Erinnern an das, was damals in Paris in jungen Jahren möglich gewesen wäre.
Ein geheimnisvolles Buch, ein melancholisches Buch.

Hans Pleschinski, "Königsallee"
Im Sommer 1954 reiste Thomas Mann mit Frau Katia und Tochter Erika nach Düsseldorf um dort aus »Felix Krull« zu lesen. Die Familie logierte im Breidenbacher Hof an der Königsallee. Und dort quartierte sich zufällig auch Klaus Heuser mit seinem Lebensgefährten Anwar ein. Thomas Mann war 1927 an der Ostsee auf den jugendlichen Klaus Heuser aufmerksam geworden, hatte ihn nach München eingeladen und ihm mit »Joseph« ein Denkmal gesetzt. Während des Krieges hatte sich der Kontakt sehr reduziert, da Klaus Heuser als Kaufmann nach Asien ging. Jetzt möchte Klaus Anwar seine Heimat zeigen. Wie wird der alte Thomas Mann auf das Wiedersehen mit seiner früheren Liebe reagieren?
Jedenfalls trägt jeder im Umfeld des Nobelpreisträgers das Seine bei um dieses Zusammentreffen stattfinden oder auch platzen zu lassen. Ebenso involviert ist das zahlreiche Personal des Luxushotels.
Teilweise sehr witzige Szenen, immer detailgenau erzählt und gründlich recherchiert. Eine anschauliche Schilderung der 50er Jahre im Nachkriegsdeutschland.
Wir freuen uns, Hans Pleschinski für unser Geburtstagsfestival im Oktober gewonnen zu haben.

Monika Zeiner, "Die Ordnung der Sterne über Como"
Der Pianist Tom Holler bekommt einfach keinen Anschluss an sein Leben.
Jetzt hat sich auch noch seine Frau von ihm getrennt und als er am Endpunkt angekommen zu sein scheint, kommt nach und nach Bewegung in dieses Leben. Er öffnet sich und der Leser erfährt, wie es soweit kommen konnte. Eine wunderbare Männerfreundschaftsgeschichte, eine nicht ausgelebte Liebesgeschichte, eine dramatische Dreiecksgeschichte und nicht zu vergessen eine Geschichte über die Musik im Leben der 3 Protagonisten. Doch Monika Zeiner erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern lädt ein zu philosophischen Diskursen und Ausflügen über Themen, die uns alle bewegen: die Liebe, der Tod und das Leben. Für alle die sich mal wieder richtig in ein Buch
hineinwühlen möchten! Intelligent und (kein Widerspruch!) sehr gut lesbar!
Monika Zeiner wird am 11. Oktober im Rahmen unseres Geburtstagsfestivals in der Lesbar aus ihrem Roman lesen.
Wir freuen uns!

Sherko Fatah, "Ein weißes Land"
Der Deutsch-Iraker Fatah erzählt wieder einmal eine sehr wuchtige Geschichte, die Geschichte des jungen Araber Anwar.
Anwar wächst in den 30er Jahren in Bagdad auf. Aus einfachen Verhältnissen kommend gehört er nirgendwo wirklich dazu, sehnt sich aber nach einem festen Platz. So ist er ein Suchender, ob das bei reichen Juden, einer kommunistischen Jugendgruppe, Wegelageren und Dieben, im Offizierskasino oder schließlich im Umkreis des Großmuftis von Jerusalem ist. Schließlich verschlägt es ihn 1941 nach Berlin und er wird für die Deutschen als Soldat Richtung Osten ziehen. Anwar ist skrupellos und immer auf sein eigenes Fortkommen bedacht, einzig die Liebe (wenn er überhaupt zu einem solchen Gefühl fähig ist!?) zu einem jüdischen Mädchen lässt ihn immer mal wieder kurz innehalten. Atemlos und teilweise angewidert bin ich dem nicht wirklich sympathischen Anwar auf all seinen Wegen gefolgt und habe bis zum Schluss die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich ein Mensch doch noch ändern kann... Spannend!

Rachel de Queiroz, "Die drei Marias"
Der autobiographische Roman der Journalistin und Übersetzerin Rachel de Queiroz (1910-2003) gilt inzwischen als Klassiker.
Die Autorin erzählt die Geschichte von 3 ganz unterschiedlichen Mädchen, die sich in einem Nonnenkloster in Fortaleza kennenlernen und - obwohl sich ihre Lebenswege später trennen- eng verbunden bleiben. Ein schönes Buch übers Erwachsenwerden, das Abschiednehmen von Träumen, das Leben zwischen Kloster und Bohème und über das Leben in Brasilien Anfang des 20. Jahrhunderts.

Sofka Zinovieff, "Athen, Paradiesstraße"
Richtig gut zu lesender Familienroman! Und erhellend, wenn man die griechische Seele besser verstehen will....
Anhand der beiden verfeindeten Schwestern Antigone und Alexandra folgt der Leser atemlos den Lebenskonzepten innerhalb einer griechischen Familie, die unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können: während die einen sich als Jugendliche den Kommunisten anschlossen um gegen die Italiener, die Deutschen und später gegen die Engländer für ein freies Griechenland zu kämpfen, unterstützten die anderen die jeweils herrschende Partei. Doch auch nach dem Kriegsende kam Griechenland nicht zur Ruhe und somit auch nicht diese Familie. Erst als die eingeheiratete Engländerin Maud nach dem Unfalltod ihres Mannes Fragen stellt, kommt die ganze Tragweite der Familiengeheimnisse ans Tageslicht.

Courtney Sullivan, "Sommer in Maine"
Seit sechzig Jahren verbringt die Großfamilie der Kellerhers ihre Ferien im romantischen Strandhaus in Maine. In diesem Sommer treffen sich nur die Frauen der Familie und die könnten unterschiedlicher nicht sein. Die unnahbare Alice, ihre Tochter Kathleen, die stets perfekte Schwiegertochter Ann Marie und Enkelin Maggie. Vier Lebensentwürfe prallen aufeinander, jede hat ein Geheimnis, das sie nicht preisgeben will. Am Ende bröckeln die Fassaden, und was Jahrzehnte unausgesprochen blieb, kommt endlich schonungslos auf den Tisch.
Gut erzählte Familiengeschichte und tolle Lektüre für den Urlaub.

Ismet Prcic, "Scherben"
Der junge Ismet verläßt Jugoslawien, das mitten im Krieg steckt. Bei seinem Onkel in Kalifornien findet er vermeintlich Sicherheit aber keinen wirklichen Halt. Seine traumatischen Kriegserlebnisse holen ihn immer wieder ein. Quälende Schuldgefühle gegenüber seiner zurückgelassenen depressiven Mutter, seiner ersten Liebe und seinem Land, das er im Stich gelassen hat, geben ihm das Gefühl, dass sein Leben in Scherben liegt. Um Ordnung in sein Leben zu bringen, beginnt er zu schreiben. Er schreibt von Mustafa, der eingezogen wird und im Krieg kämpft und sich, anders als Ismet, seiner Pflicht nicht entzieht.
Kompromisslose Aufarbeitung des Jugoslawien-Konflikts. Ismets seelischer "Scherbenhaufen" spiegelt sich sprachlich im Textaufbau wieder: Tagebucheinträge, Briefe an die Mutter und erzählende Abschnitte wechseln sich ab und fügen sich zu einem spannenden Ganzen.
Hochinteressant und richtig gut!

Elaine Pagels, „Apokalypse – Das letzte Buch der Bibel wird entschlüsselt“
Elaine Pagels ist Professorin für Religionswissenschaften an der Princeton University. Sie verfügt also über das nötige fundierte Wissen von der Frühphase des Christentums.
In ihrem Buch wählt Elaine Pagels die Offenbarung des Johannes als Aufhänger für einen kompakten Abriß über die Entstehung des christlichen Glaubens und der Katholischen Kirche. Mit „Apokalypse“ setzt die Autorin viele Originalzitate aus der Bibel und aus anderen Quellen, wie z.B. den 1945 entdeckten geheimen Schriften aus Nag Hammadi, gekonnt in ihren historischen Kontext. Dadurch wird die fast 400 Jahre dauernde Zeitspanne nach der Kreuzigung bis zur Etablierung der Kirche auch für den Laien greifbar und begreifbar.
„Apokalypse“ ist spannend und sehr lebendig erzählte Geschichte.

Elisabeth Herrmann, „Das Dorf der Mörder“
Gruselig! Leichenteile im Wildschweingehege des Berliner Tierparks: Chaos, kreischende Kinder, sensationsgeile Besucher mit Fotohandys, überforderte Angestellte und Polizeibeamte. Das ist der Ausgangspunkt für diesen düsteren, ungemein spannenden Kriminalroman. Mit Hilfe akribischer polizeilicher und psychologischer Untersuchungen kommen die Ermittler einer Mordserie auf die Spur, die sie in ein kleines, verfallendes Dorf im Brandenburgischen Niemandsland führt. Dort passierte vor 20 Jahren das, was niemals hätte passieren dürfen…
Achtung Hochspannung! Ein „Page Turner“ der Extraklasse. Unmöglich, diese perfekt erzählte Gruselgeschichte vor Seite 480 aus der Hand zu legen.

Nora Bossong, "Gesellschaft mit beschränkter Haftung"
Plötzlich taucht er ab, ist nicht mehr erreichbar: Kurt, der bis vor ein paar Stunden Regent einer Essener Frotteedynastie war, verschwindet in New York und laßt sich dort treiben. Er steigt aus seinem bisherigen Leben mit all seinen Verpflichtungen, Verantwortungen und Terminen aus, und dafür steigt seine ehrgeizige Tochter ein. Luisa wurde bis jetzt außerhalb des Dunstkreises des Familienunternehmens gehalten, aber nun sieht sie ihre Chance: sie wird das Familienimperium vor dem Aus retten.
Nora Bossong erzählt von den Facetten einer Vater-Tochter-Beziehung. Milieustudien und Beschreibungen der Arbeitswelt mit Machtkämpfen und den negativen Seiten der Globalisierung rütteln beim Lesen immer wieder auf. Sehr viel mehr als "nur" ein Familienroman.

Simon Mawer, "Die Frau, die vom Himmel fiel"
Die 19-jährige Londonerin Marian Sutro kauert vor der Tür eines Flugzeugs der Royal Airforce, unter sich das besetzte Frankreich. Sie ist bereit, ins Ungewisse zu springen und als britische Geheimagentin im französischen Untergrund zu arbeiten. In Paris soll sie ihre Jugendliebe Clement aufspüren, der für die Nazis als Wissenschaftler arbeitet. Und auch mit der Liebe treibt Marian ein doppeltes, höchstgefährliches Spiel...
Tolle Mischung aus spannendem Spionagethriller und leidenschaftlicher Liebesgeschichte - Casablanca lässt grüßen!

Marco Sonnleitner, "Blutzeugen"
Ein Serientäter begeht in München rätselhafte Morde. Hauptkommissar Kammerlander nimmt die Spur auf...
Ein Heimatkrimi mit sehr viel bayerischem "Personal" und einem vielleicht etwas konstruierten, aber sehr spannenden und überraschenden Plot.

Albertine Sarrazin, "Astragalus"
Dieser stark autobiographisch gefärbte Roman galt als Kultbuch im Paris der 70er Jahre und wurde von Simone de Beauvoir hoch gelobt: die Geschichte einer kleinkriminellen jungen Frau, die sich bei der Flucht aus dem Gefängnis ihr Sprungbein bricht, aber auch die Leidenschaft ihres Lebens kennenlernt. Existentialismus pur mit viel Alkohol und Zigaretten, kraftvolle, rauhe Poesie.

Eva Menasse, "Quasikristalle"
13 Kapitel, in denen der Leser immer nur einen Hauch des Lebens(ver)laufs von Xane, einer Wienerin bzw. Wahlberlinerin erpürt. Das liegt daran, dass immer wieder andere Personen, die Xane mehr oder weniger nahe standen, ihre Sichtweise schildern. So wird nicht nur Xanes Leben spotmäßig ausgeleuchtet, sondern auch gesellschaftsrelevante Themen aufgegriffen - entsprechend der jeweiligen Lebenssituation des Erzählers.
Sehr kurzweilig. Dem Leser bleibt viel Raum, sich seine "Xane" zu erlesen.

Dante Andrea Franzetti, "Der Großvater"
Der Schweizer Autor Franzetti erinnert sich bruchstückhaft, aber sehr intensiv an seinen Italienischen Großvater, der immer gerne erzählte: "Wörter sind Welten". Seine Großmutter dagegen versank in Wortlosigkeit.
Ein feines kleines Bändchen über die Erinnerungen an die Kindheit, die einen nie mehr loslassen.
Makellose Prosa, einfach und schön.

Jonas Bengtsson, "Wie keiner sonst"
Obwohl sein Vater politisch aktiv ist und im Untergrund leben muss, verbringt sein kleiner Sohn eine glückliche und wohlbehütete Kindheit. Erst als der über alles geliebte Vater einen Fehler begeht, muss er sich in der realen Welt zurechtfinden. Dabei stellt sich die Suche nach einer eigenen Identität als äußerst schmerzhaft heraus.
Eine starke Vater-Sohn- und Selbstfindungsgeschichte aus Schweden, eindringlich erzählt und schwer beeindruckend!

Ulrich Woelk, "Was Liebe ist"
Ein Autor, der seine Hauptfigur klug mit den drängenden Fragen unserer Zeit konfrontiert. Eine Liebesgeschichte (die zugegebenermaßen etwas konstruiert wirkt), die nur eine Woche währt und die für den Leser überraschend endet. Großes Kino für Kopf und Seele, das leicht über kleine Längen hinwegtröstet.

Judith W. Taschler, „Sommer wie Winter“
Nein, es geht nicht um Jahreszeiten! „Sommer wie Winter“ erzählt die Geschichte des 19jährigen Alexander Sommer, der bei Familie Winter in einer Tiroler Ortschaft aufwächst. Den Gästen der Familienpension präsentieren sich die Winters als mustergültige Familie in einer heilen Welt. Bis ein schlimmer Unfall passiert, bei dem mehrere Familienmitglieder so in Mitleidenschaft gezogen werden, dass sie medizinische und therapeutische Hilfe benötigen. Der Roman besteht aus den Protokollen der Therapiegespräche mit den verschiedenen Familienmitgliedern. Nach und nach erschließt sich aus diesen Gesprächsfragmenten das ganze Ausmaß einer dunklen und ungeheuerlichen Geschichte, deren Auflösung Alexander ins Leben zurück bringt.
Kompakter und sprachlich fein auf den Punkt gebrachter Roman mit einer fesselnden Story, die einen so schnell nicht wieder los läßt. Das Ende ist zwar vorhersehbar, was der Dramatik und Spannung aber keinen Abbruch tut. Typisches „Ich kann nicht mehr aufhören zu Lesen“-Buch.